Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #14 – Ruhe bitte

Ruhe
bitte

Wer als Bürger ernst genommen werden will, tut gut daran, sich zu informieren. Diese Notwendigkeit drängt sich auf, sobald man den Unterschied zwischen Haltung und Palaver begriffen hat. Informieren kann man sich, indem man liest, sofern das Gelesene nicht 20Minuten oder Blick am Abend heisst. Oder Radio hört (erstaunlich: SRF 1 bringt nicht nur mehr Informationen als andere Sender, die haben oft sogar die bessere Musik, weil die nicht so krampfhaft einen auf 08/15 und/oder U2 und/oder U20 machen). Oder Informationssendungen am Vierfarbenfernsehen schaut.
In den Nachrichten vermittelt das TV nicht nur Informationen, hier werden diese auch mit flankierenden Massnahmen unterstützt, sprich: mit Musik unterlegt. Und das ist, um hier gleich auf den Punkt zu kommen, absolut überflüssig. Die Nachrichtensendung «10vor10» zum Beispiel übertüncht ihre Beiträge regelmässig dermassen penetrant mit irgendwelchen Klangcollagen, Soundschnippseln und/oder Geräuschen, dass man vor lauter Geschrummel die eigentlichen Informationen gar nicht mehr mitbekommt. Trauen die Redaktoren von «10vor10» ihrer eigenen Arbeit nicht und lenken deshalb von ihrem eigentlichen Informationsauftrag ab? Oder nehmen die ihre Zuschauerinnen und Zuschauer nicht ernst?
Aber das ist erst der Anfang vom Ende: Viel schlimmer noch ist die Vorhersehbarkeit der geistlosen Musik-Untermalungen: Beiträge der Rubrik «Holocaust und andere schwere Schicksale» werden grundsätzlich mit dem Gestreiche eines geistreichen Cellisten unterlegt. Zu Beiträgen der Rubrik «Kunst und was wir sonst noch nicht verstehen» dudelt ein Handörgeli, vorzugsweise Erika Stucky und/oder Kimmo Pohjonen. Und Beiträge der Rubrik «Korruption und böse Machenschaften in der Fifa, in Banken und ähnlichen globalen Institutionen» sind zuverlässig begleitet von knattrigem Freejazz oder wie man dem sagt. Das ist nicht nur doof, das ist stinklangweilig.
Sie sehen, worauf ich hinaus will: Nachrichten sind Nachrichten. Und Musik ist Musik. Beides zusammen geht nicht. Ausser es sind Nahrichten über Musik. Aber wenn ich Nachrichten will, dann will ich Nachrichten. Wenn ich Musik hören will, dann schiebe ich eine CD in meinen Player. Oder lege eine Platte auf. Oder knipse den iPod an.
Das ist ja nicht nur im Fernsehen so. Das gilt auch fürs Liftfahren. Da ist Musik überflüssig. Musik in der Tiefgarage? Noch überflüssiger. Ebenso im Restaurant, im Supermarkt, an Sportveranstaltungen, in Kinopausen, in Telefonwarteschlaufen und in öffentlichen Klos. All das macht letztlich nur die Musik kaputt.
Im übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Tracks 4 15 (Juli/August 2015)

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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