Nathan Gray über Tim McIlrath von Rise Against: „Wir sprechen aus demselben Herzen!“

 

Boysetsfire-Sänger Nathan Gray steht kurz vor dem Release seines dritten Albums „Rebel Songs“. Für die erste gleichnamige Single dieser Platte hatte er sich unglaublich prominente Unterstützung geholt, denn als Featuregast ist dort Tim McIlrath von Rise Against zu hören, einer der größten aktuellen Rockbands überhaupt. Wir haben Nathan über diese Kollaboration ausgefragt und dabei erfahren, wie die beiden sich kennengelernt haben, was sie in ihren Idealen verbindet und welche Geschichte die beiden mit „Rebel Songs“ erzählen wollen.

Tracks: Wie hast du Tim kennengelernt? Weißt du noch, wie und wo ihr euch getroffen habt? Gibt es noch andere Verbindungen zwischen euch außerhalb von gemeinsamen Festivalauftritten oder Shows?

Nathan: Es war 2001 – wir waren mit Boysetsfire auf Tour für “After the Eulogy”, wir und Thursday waren Co-Headliner. Mit uns spielten The Movielife und Rise Against. Das Lustige daran ist, dass Rise Against eigentlich der Opener der ganzen Tour waren und damals niemand wusste, wer sie überhaupt waren. Einer der Jungs war von einer Chicagoer Band namens 88 Fingers Louie, die wir kannten, aber alle anderen waren neu für uns und neu für die meisten Fans, die zu diesen Shows kamen. Wie die meisten Opener hatten sie manchmal gute Abende und in anderen Fällen schenkte ihnen niemand Aufmerksamkeit oder kam früh genug, um sie spielen zu sehen. Wir wussten sofort, dass sie eine wirklich gute Band waren, aber sie hatten keine Fangemeinde und es schien, als würde sich noch niemand für sie interessieren. Es war cool zu sehen, wie sie aufstiegen und irgendwann in scheinbar aus dem Nichts riesige Arenashows ausverkauften. Sie waren plötzlich überall im Radio zu hören… überall, wo man hinkam, hörte man einen ihrer Songs. Wenn man an diese Zeit zurückdenkt und weiß, dass sie jetzt ein so bekannter Name wie die Foo Fighters sind, ist das ziemlich krass. Wir sind ihnen im Laufe der Jahre ein paar Mal auf Festivals begegnet, und es war immer schön, Tim zu sehen und zu plaudern.

Tracks: Erinnerst du dich an etwas, was Tim in der Vergangenheit gemacht hat, das für dich besonders bemerkenswert ist?

Nathan:  Oh Mann – ich weiß noch, dass wir uns auf dieser Tour die ganze Zeit gegenseitig Streiche gespielt haben. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir eines Abends den Van von Rise Against mit Crisco [Marke für Pflanzenfett, Anm. d. Red.] und Popcorn überzogen. Tim und die Jungs hat es am schlimmsten erwischt und sie haben sich zu Recht ein bisschen aufgeregt… wir haben damals nicht darüber nachgedacht, wie schwer es sein würde, Crisco von einer Windschutzscheibe zu bekommen. Sie haben ein paar Tage lang nicht mit uns geredet, und wir haben es absolut verdient – es war nicht gerade fein von uns, die Opener die Wagenwäsche aus der eigenen Tasche bezahlen zu lassen.

Tracks: Die Single mit dir und Tim wurde etwas einen Monat nach Rise Against neuem Album „Nowhere Generation“ veröffentlicht. Was denkst du über die Platte? Findest du darin die kritischen Themen, die auch in eurer gemeinsamen Single zu hören sind?

Nathan: “Nowhere Generation” und “Rebel Songs” kommen definitiv vom selben Ort der Inspiration. Es gibt so viele verschiedene soziale und politische Ideale, die ich in meiner Soloarbeit noch nicht angesprochen habe und für die ich endlich wieder Platz habe. Ich weiß, dass ich schon früher darüber gesprochen habe, aber es gab eine Menge, das ich auf persönlicher Ebene aus meinem Herzen und meinem Kopf entfernen musste, um wieder auf einer Makroebene denken zu können. Jetzt, wo ich diese Dinge in “Feral Hymns” und “Working Title” gewissermaßen ausgetrieben habe, konnte ich mich wieder auf das besinnen, was mich wirklich antreibt und wer ich im Kern bin. Ich finde es urkomisch, die Kommentare auf den sozialen Medien von Bands wie Rise Against und Rage Against The Machine zu beobachten, wo eine alarmierende Anzahl von Leuten offenbar keine Ahnung hatte, dass es sich um politische Bands handelt. Es ist zum Totlachen. Keine der beiden Bands hat diese Themen oder Proklamationen jemals versteckt oder sich von ihnen entfernt. Sie heißen Rise Against… was dachtest du, wofür der Name steht? Wie dem auch sei, ich finde diese Phase, in der ich mich aus einer sozial-politischen Haltung heraus äußere, wirklich lustig, weil sie mir wieder Kameradschaft gibt. Es erinnert mich daran, dass es eine Gemeinschaft derer gibt, die nicht stillschweigend danebenstehen, während die Welt um uns herum zu verkommen versucht.

Tracks: Kannst du uns ein bisschen tiefer in die Themen des Songs einführen? Warum war Tim dafür der perfekte Gast?

Nathan: “Rebel Songs” ist ein Song über den Aufbau einer vereinten Front durch unsere Kunst und Musik und unsere Aufgabe, die Leute mit progressiven Themen in die Zukunft zu führen. Und das ist auch der Grund, warum dieser Song zum Titelsong des Albums wurde. Vor allem musste ich daran erinnern (und daran erinnert werden), dass Bands, die eher politisch oder sozial eingestellt sind, eine große Bedeutung haben und dass wir unsere Botschaft einheitlich vermitteln müssen. Wenn das, was wir tun und sagen, keinen Unterschied macht, warum sagen wir es dann überhaupt? Tim war die perfekte Person für diesen Song, denn unsere Botschaften passen zusammen. Wir sprechen aus demselben Herzen.

Tracks: In letzter Zeit gab es in den USA viele Proteste auf den Straßen – sowohl von der Linken als auch von der Rechten. Warum ist es wieder so wichtig, für seine Ideale zu kämpfen, besonders für junge Leute? Was für eine Rolle kann Musik beim Unterstützen von Aktivist*innen spielen?

Nathan: Es hat nie aufgehört, wichtig zu sein. Es ist nur so, dass einige Leute faul und apathisch geworden sind. Diese Leute, Bands und Aktivisten gab es immer. Aber sie wurden wieder sichtbarer, als rechte Bewegungen auf der ganzen Welt scheinbar aus dem Nichts wieder an Popularität gewannen. Wir haben kollektiv unsere Wachsamkeit vernachlässigt und vergessen, wie dünn diese Grenze ist, und wir haben uns damit abgefunden, dass diese politischen Figuren “gut genug” für uns sind. Zu viele faschistische Gruppen werden heute ernst genommen und verbreiten eine Propaganda, die den Anschein erweckt, sie verdienten eine Meinung. Nicht, wenn ihre Meinung darin besteht, dass andere Menschen sterben sollten. Ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass das eine Meinung ist, die es wert ist, vertreten zu werden, ihr Raum zu geben oder sie zu verteidigen.

Tracks: Stell dir vor, Tim und du würden eine Partei gründen. Welche anderen Musiker*innen und Politiker*innen würdest du inkludieren und warum?

Nathan: Als Musiker sind wir die Cheerleader. Das ist es, was Musik immer war – eine Nebenrolle. Wenn man einen Film sieht, lässt einen die Musik wissen, dass etwas Beängstigendes oder etwas Trauriges passieren wird. Sie ist der Soundtrack zu glücklichen Momenten – sie ist ein Energizer, ein Motivator. Das ist unsere Aufgabe: die Leute dazu zu bringen, Dinge zu sehen, die sie sonst ohne einen guten Beat nicht sehen würden.

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