Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #48 – Sei ein Mann

Sei ein
Mann

Nachlese zum Stoner-Festival Up in Smoke im Z7:
Der Erste Tag ist wunderbar: Monolord fabrizieren wuchtige Wände, und alle nicken mit. Es ist wie Familie. Wie in «Avatar», wenn die Na’vi alle miteinander ihre Oberkörper schwingen, damit das göttliche Eywa den netten Jake Sully zu einem der ihren mache. Der zweite Tag ist auch schön. Der dritte Tag natürlich sowieso. Stoner macht glücklich.

Und Stoner ist Männermusik. Deshalb sind wesentlich mehr Männer anwesend als Frauen, und die Frauen, die da sind, sind das meist in Begleitung ihres Partners. Weshalb spätestens am dritten Tag nicht mehr zu verheimlichen ist, dass da ein beträchtlicher Überschuss an Testosteron herrscht. Sozusagen ein riesiger Bottich überflüssigen Testosterons.

Die Frage drängt sich also mehr und mehr auf: Wohin mit all den vörigen Hormonen? Die Bands auf der Bühne liefern keine befriedigenden Antworten, intensivieren aber das Problem. Church of Misery tun das exemplarisch: Sie treiben das Testosteron auf die Spitze, sie produzieren unglaublich wuchtige Klangwände. Das ist die reine Kraft, die brachiale Wucht, die Männlichkeit. Das ist musikalische gesehen grossartig, bringt uns aber leider in der Männerfrage nicht weiter. Church of Misery zeigen bloss: Rohe Kraft ist zwar geil, liefert aber keine vollständige Antworten. Immerhin bringen uns Church of Misery dazu, die Frage zu präzisieren: Was genau macht den Mann zum Manne?

Es ergibt sich, dass just als nächste Band Greenleaf spielen. Ihr erster Song heisst «Let It Out», danke, jaaaaa, und insbesondere Sänger Arvid Hällagård singt und bewegt sich wie einer, der weiss, was er will, und vor allem wie einer, der damit zurechtkommt, zu wissen, was er will. Das hat sehr viel mit Blues zu tun, mit Selbstwahrnehmung und Selbstverständnis, und das erinnert uns wohltuend an den ewig gültigen Clutch-Sänger Neil Fallon in seinen Holzfällerhosen und seiner aufrechten Haltung. Fallon singt Sätze wie «I don’t need the Secret Service, I know how to walk a room.»

Greenleaf zeigen: Ein Mann muss nicht nur wissen, was er will, er muss auch mit diesem Wissen und seinen Hormonen zurechtkommen, unabhängig davon, ob nun Frauen mit im Spiel sind oder nicht. Ein Bart ist zwar männlich, macht den Träger aber noch lange nicht zum Mann. Und brachiale Wucht spielt beim Mann-Sein nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Wenig später gehen Stoned Jesus einen erheblichen Schritt weiter: Sie dreschen nicht auf ihre Instrumente ein, sondern zelebrieren den 20-Minuten-Song «I’m The Mountain». Eine reine Meditation. Sänger Igor klettert den Berg hoch und wird, indem er in besteigt, eins mit ihm und seiner Natur. Das mag spirituell klingen, und das kann man so empfinden oder nicht, es zeigt aber, dass Mann sein auch bedeutet, über sich hinaus zu denken und zu fühlen. Zum Beispiel mit der Natur. Oder eben mit Frauen.

Oh, was für eine Elefantengeburt, was für eine wunderbare Begleitung zu einer Erkenntnis, die wir im Grunde immer schon wussten. Danke Church of Misery, danke Greenleaf, danke Stoned Jesus.
Am nächsten Tag, das Festival ist zu Ende (danke, Z7) und ich verkatert auf der Heimreise, schmeisse ich die CD «Hear The Rivers» von Greenleaf in den Player und lese in den Liner notes die Namen der Bandmitglieder. Und sieheda: Der Bassist heisst Hans Fröhlich. Hans wie der Stahlhans im gleichnamigen Märchen und Fröhlich wie das Märchen vom Hans im Glück. Besser kanns echt nicht werden.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Christian
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Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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