Punk-Oldies oder Pogo nach der Hüftoperation

Im letzten Jahr war die englische Punklegende The Damned (1976 gegründet) in England für ein paar Konzerte wieder in der Urbesetzung mit Rat Scabies, Captain Sensible, Dave Vanian und Brian James unterwegs.

Am Konzert am vergangenen Montag im Zürcher Club Komplex 457 waren nur noch Captain Sensible und Dave Vanian mit von der Partie. Unterstützt wurden die beiden von Schlagzeuger Neuzugang Will Taylor, Keyboarder Monty Oxymoron (eigentlich Laurence Burrow) und Bassist Paul Grey (Eddie & the Hot Rods, UFO, u.a.). Besetzungsmässig waren und sind The Damned seit ehe und je sehr unstet. Mehr als 15 Musiker kamen und gingen in der Geschichte der Band. Auch Captain Sensible und Dave Vanian hatten The Damned schon mal verlassen. Beide gehen mit grossen Schritten gegen die 70 zu, Sensible ist 68, Vanian 65 Jahre alt. Auch das Publikum war grössenteils älteren Datums, inklusive meiner Wenigkeit.

Das Ganze eine Punk-Oldies-Show zu nennen, wäre zwar etwas übertrieben gewesen, würde der Sache aber irgendwie schon entsprechen. Auch Punks werden älter. Und auch Punksongs der ersten Stunde werden einmal zu Oldies. Eine Frau vor mit hatte gar eine Cüpliglas in der Hand. Dabei waren es ja gerade die älteren, spiessigen Zeitgenossen gegen die Punks früher und heute rebellierten.  Und was ist aus der No-Future-Attitüde geworden? Nicht nur leben alle Originalmitglieder von The Damned noch, auch die Mitglieder der Sex Pistols, von denen der Song «No Future» stammt, sind noch bei einigermassen guter Gesundheit (ausser Sid Vicious, der schon 1979 verstarb) und längst im Spiesserleben, gegen das sie als Jugendliche rebellierten, angekommen. Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten / Lydon war beispielsweise 2004 in der britischen Version der Fernsehshow «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» zu sehen. Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Auf der Bühne hinter dem Drummer prangte der The Damned Schriftzug weiss, blutrot umrandet. Nach einem Intro eröffneten The Damned mit «Street Of Dreams» vom Album «Phantasmagoria» (1985). Bereits der zweite Song «The Invisible Man» stammt von ihrem Ende April erscheinenden neuen, zwölften Werk «Darkadelic». Musikalisch passt besagter Song gut zu der Mitte Achtziger-Jahre-Phase der Band als sie sich vom Punkrock der Frühzeit hin zu Goth-Rock entwickelt hatten. Das psychedelische Video zu «The Invisible Man» würde vorzüglich zu einem B-Movie Horrorfilm aus den 1940er / 1950er Jahren passen. Dave Vanian, adrett mit schwarzem Anzug, Hut, Fliege, Handschuhe, Sonnenbrille und Lackschuhen ausgestattet, geht problemlos als Mischung aus Bela Lugosi und einem (Punk)-Crooner durch. Die folgenden Songs «Wait For The Blackout» und «Lively Arts» reichen ins Jahr 1980 zurück, zum Album «The Black Album» (Anspielung auf das weisse Album der Beatles!?). The Damned hatten darauf ihren ungestümen Punk gedrosselt und mit psychedelischen und Goth-Rock-Elementen versehen. «Bad Weather Girl», «You’re Gonna Realise», «Western Promise»,  «Beware of the Clown», «Wake The Dead», «Follow Me», «Motorcycle Man», «Leader Of The Gang» und «From Your Lips» waren dann wieder ein Sprung nach vorne in die Zukunft ihres neuen Albums «Darkadelic».  Musikalisch reichen die neuen Songs nicht an die Klasse des frühen Materials heran. Sie sind aber bei weitem besser, als ein Grossteil des 2018 Albums «Evil Spirits». Einzig «Standing on the Edge of Tomorrow» wurde von besagtem Werk gespielt. Die Single «Beware of the Clown» ist gar eine wunderbare Abrechnung mit der Politiker-Kaste. Mit «Born To Kill» von ihrem Debüt liessen The Damned dann die sprichwörtliche Punk-Sau raus.

Das Publikum dankte es der Band mit wilden Pogo-Tänzen. Hoffentlich hat sich dabei niemand die Hüfte ausgerenkt!? Vor der Pause durfte es auch noch ein anderer Punkklassiker sein, die energetische zweite Single «Neat Neat Neat» (1977). Nach der Pause konnte Dave Vanian seine Rolle als (Punk)-Crooner mit ihrem grössten Hit in England, der Barry Ryan Coverversion «Eloise» voll ausspielen.  Das darauf «Smash It Up Part 1 and 2» folgte, darf man als Selbstironie verstehen, muss man aber nicht.

Das Konzert im Zürcher Komplex 457 bewies auf jeden Fall, dass es The Damned noch draufhaben und mit ihrem neuen Werk «Darkadelic» auch noch an eine Zukunft glauben. Nichts mehr mit No Future!!  

Roebi
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