Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #18 – Tschüss, Greenfield

Tschüss,
Greenfield

Dieses Jahr werde ich nicht mehr ans Greenfield-Festival gehen. Aus zwei Gründen. Erstens: Wer sich bisher mehr für die Musik interessierte als für die schrecklichen Plastiktitten im Rckstr-Zelt, der wurde bestens bedient. Man konnte gemütlich von der grossen zur kleinen Bühne und wieder retour pendeln, weil da immer schön ein Konzert nach dem anderen kam, auf das man sich konzentrieren konnte. Neu gibt es nun eine dritte Bühne mit allerlei Mittelalter- und Depro-Krempel, und somit ist es leider unvermeidlich, dass sich die Auftritte von Bands überschneiden, und zwar vollständig. Das ist ein ärgerliches Multiple-choice-Angebot, das einerseits eine gewisse Beliebigkeit offenbart und anderseits zu einem Nur-einmal-ankreuzen-Zwang führt.
Wir sehen: Immer noch mehr und immer noch grösser ist nicht zwingend die beste Lösung, das gilt auch für Openairs – und dabei ist noch gar nicht erwähnt, dass das Festival mit dem Konzert der Red Hot Chili Peppers am Mittwoch um einen Tag verlängert wurde.
Zweitens: Wer sich für Musik interessiert, ist selbstredend gwundrig auf Neues. Das kriegen wir am Greenfield aber so gut wie nicht mehr. Dazu bemühen wir ein bisschen Statistik, beruhend auf dem Booking-Stand vom 12. Januar 2016 und dem Wikipedia-Eintrag: Von den dannzumal angekündigten 42 Bands der 2016er-Ausgabe waren nur lausige 16 noch nie am Greenfield zu sehen. Das heisst: Weit mehr als die Hälfte hatten wir schon. Viel schlimmer noch: Die hatten wir schon mehrfach! Dieses Jahr spielen Billy Talent, Zebrahead, Pennywise und The Hives ihr viertes Greenfield-Konzert! In Extremo, Madsen, Parkway Drive, Heaven Shall Burn, Flogging Molly und die Kindergärtler Itchy Poopzkid waren in der zehnjährigen Geschichte des Greenfield bereits schon viermal zu Gast!
Bei Millencolin, NOFX, Breakdown of Sanity, Beauty of Gemina, Skindred, Offspring, Prodigy, Volbeat und Nightwish wird es 2016 das dritte Greenfield-Konzert sein. Bereits dreimal gespielt haben Sepultura, In Flames, Lagwagon, Bullet for my Valentine, Enter Shikari, Danko Jones, Gallows, Hatebreed, Bury Tomorrow, La Vela Puerca und Trivium! Das sind: 10 Bands viermal und 20 Bands dreimal. Die Zweifach-Bands hab ich schon gar nicht mehr gezählt. Den traurigen Rekord halten übrigens Donots mit fünf Auftritten.
Andersrum betrachtet: Von den angekündigten 42 Bands der 2016er-Ausgabe standen 22 Bands in den vergangenen vier (!) Jahren bereits auf der Greenfield-Bühne, zum Teil mehrfach. Das ist mehr als die Hälfte. Das ist grauenhaft.
Wer sich für Musik interessiert, der möchte dieses Jahr am Greenfield Bands sehen wie Deafheaven, Baroness, Sleater-Kinney, Danzig, Kadavar, Ignite und Napalm Death. Nicht, weil sie etwa zu meinen persönlichen Lieblingen gehörten. Sondern weil sie dieses Jahr viel von sich reden gemacht und wichtige Alben veröffentlicht haben. Und noch nie am Greenfield aufgetreten sind.
Und eine Motörhead-Tribute-Band wäre auch anständig gewesen, das aber nur nebenbei.
Doch vielleicht geht es am Greenfield gar nicht mehr darum, ob man sich für Musik interessiert. Letztes Jahr hat mich zum ersten Mal in meiner persönlichen Greenfield-Geschichte irgend so ein Ballermann-Volltrottel mit einer Wasserspritzpistole angespritzt…
Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte, was selbstredend auch für das Album gilt, das er und seine unbebrillten Freunde für dieses Jahr angekündigt haben. Und wenn wir grad dabei sind: Who the fuck will eine Guns’N’Roses-Reunion?

Tracks 2 16 (März/April 2016)

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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