JOLLY AND THE FLYTRAP – Le Dictionnaire de la Lumière

Über Liebe, Licht und Lebensfreude

Die Engelberger Band Jolly and the Flytrap veröffentlicht dieser Tage ihr neues, fünftes Album – sehr zur Freude aller Fans, auch wenn sich seit dem letzten Album hörbar viel verändert hat. Sänger Richard Blatter alias El Ritschi erzählt.

Eigentlich hätte das neue Album von Jolly and the Flytrap «The Dictionary of Love» heissen sollen, also das «Wörterbuch der Liebe», aber irgendwie wurde daraus «Le Dictionnaire de la Lumière», das «Wörterbuch des Lichts». Warum aus der englischen Liebe das französische Licht geworden ist, das wissen die Jollys auch nicht, es sei ein Übersetzungsfehler ihrer eigenen Wortschöpfung, so die wie immer lakonische offizielle Begründung der Band. «Aber irgendwie hängt das ja zusammen, die Liebe und das Licht», gibt Sänger Richard «El Ritschi» Blatter einen Wink und rattert sein berühmtes Stakkato-Kichern.

Ja, die Liebe und das Licht. War es nicht immer schon das, was diese Band ausmachte, seit sie 1986 von einer Handvoll befreundeter Teenager in Engelberg gegründet wurde? Ja! Aber so klar können die Musiker das erst jetzt, nach 35 Jahren Bandgeschichte und ebenso vielen Jahren Lebenserfahrung sagen, Kinder, Trennungen, Karrieren und Krankheiten inklusive. «Es war schon immer unsere Stärke, aus dem Traurigen etwas Schönes zu machen», sagt Blatter und meint damit die Jolly-Musik, die vor allem auf der Bühne vor lauter Lebensfreude förmlich überquillt, deren Inspiration aber häufig traurige Momente sind. Und es ist genau diese Heiterkeit in der Musik, die letztlich von Liebe getragen ist. Aber das klingt jetzt alles sehr viel philosophischer, als die Musik gemeint ist.

Unvorhergesehene Abgänge

Darum nochmal von vorne: Jolly and the Flytrap, die Lieblingsband aus Engelberg, hat endlich ein neues Album raus, es heisst «Le Dictionnaire de la Lumière» und erscheint dieser Tage als Vinyl, CD, Stream und Kassette. Ganze acht Jahre mussten die Fans auf dieses Album warten, es ist das insgesamt fünfte der Jollys. Vergleicht man dieses Album mit dem letzten Werk «Linger on Mazurka» von 2012, wird sofort klar, dass sich sehr viel verändert hat. Und aber die Jollys im Kern die Jollys geblieben sind. Was ist genau passiert?

Im Interview ist Richard Blatter wie auf der Bühne: Er holt weit aus, er erzählt ohne Unterlass Geschichten und Begebenheiten, trägt sein Herz auf der Zunge und kichert immer wieder. Dabei sagt er Sätze wie «Ich bin der Lover» oder «Ich bi so de Zämeblibi-Typ» oder «Weisch, öppe so» und immer wieder «Das ist schön».

Zusammengefasst verliefen die letzten acht Bandjahre so: Lange war alles gut. Jeder führte sein eigenes Leben, jedes Jahr traf man sich für ein paar Proben und Konzerte, hin und wieder entstanden neue Songs, und 2016 wurde der Saxophonist Andreas Dorn als Professor für Ägyptologie an die Universität von Uppsala in Schweden berufen. Er gab seinen Austritt aus der Band bekannt. Trompeter Pascal Claude entschloss sich bei dieser Gelegenheit ebenfalls, aus der Band auszutreten. Er wollte sich auf neue Projekte konzentrieren. Im Oktober 2017 spielten die Jollys in ihrem Hauptquartier Grünenwald in Engelberg ihr letztes Konzert in der Urformation. Eineinhalb Jahre sollte es dauern bis zum nächsten Konzert.

Fertig unbedarft!

In dieser Zeit leckte man sich erst die Wunden, versuchte anschliessend interne Lösungen und suchte schliesslich neue Bläser, die man erfreulicherweise ohne viel Aufwand fand: Roger Greipl am Saxophon und Emilio Parini an der Posaune wurden zu neuen Jollys. Beide brachten sehr viel Erfahrung von anderen Bands mit und trugen neue Energie in die Jollys hinein. Parini auch ein neues Instrument. «Die beiden sind einfach genial», schwärmt Richard Blatter aufrichtig. «Das sind hochprofessionelle Musiker, die haben uns unsere Flausen und Unbedarftheiten ausgetrieben.»

Was zu einem bemerkenswerten Wandel der Jolly-Musik führte: Bisher machten die Spontanität und ebendiese erfrischenden Flausen in den Songs und auf der Bühne einen grossen Teil des Charmes dieser Band aus. Der ist in den elf neuen Liedern von «Le Dictionnaire de la Lumière» so gut wie weg.
Dafür klingen die Songs jetzt versiert, routiniert, spielerfahren – und das, ohne die Spielfreude verloren zu haben. «Wir sind ja jetzt auch alle über fünfzig», sagt Blatter, «da kann man nicht mehr so tun, als stünde man zum ersten Mal auf der Bühne.» Die Songs bleiben aber in ihrer Ausrichtung ganz Jolly: viel Französisch und Italienisch in den Texten, viel Ethno in der Musik. Und eben viel Liebe und Licht allüberall.

Vergangene Woche hätte an zwei Abenden Plattentaufe an den Stanser Musiktagen sein sollen – die fiel aus bekannten Gründen ins Wasser. Ihr nächster Live-Auftritt sollte aber klappen: am 9. Mai in der Schüür in Luzern.

Christian Hug

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

Be the first to comment

Leave a Reply