5 Fragen an Kind Kaputt

Foto by Miriam Gorr

Anlässlich ihres heutigen Releases zum neuen Album “Morgen ist auch noch kein Tag” haben wir mit Sänger Johannes Prautzsch der deutschen Post-Hardcore Band Kind Kaputt über die neue Platte, die Weiterentwicklung der Band und auch über das Thema Mental Health gesprochen.

Tracks: Kind Kaputt waren in der Vergangenheit schon vieles: Eine verdammt gute Post-Hardcore-Band mit verzweifelten deutschen Texten. Anschließend eine verdammt gute Post-Hardcore-Band mit verzweifelten deutschen Texten und verdammt guten Videos. Auf “Morgen ist auch noch kein Tag” kommt nun als weiteres Element deutschsprachiger Sprechgesang und sogar hier und da ein Autotune-Element dazu. Was könnt ihr eigentlich nicht?

Johannes Prautzsch: Die witzige Antwort wäre: Einen Kernfusionsreaktor bauen.
Die ehrliche Antwort wäre: Uns auf das Wesentliche konzentrieren und Prioritäten setzen. Wir arbeiten immer an so vielen Baustellen gleichzeitig, dass wir regelmäßig Probleme mit Deadlines und unseren eigenen Erwartungen haben. Aber bisher hat es dann immer irgendwie funktioniert.

Tracks: Erzähle mir mal bitte vom Aufnahmeprozess und dem Zustandekommen der Songs des neuen Albums. Ihr wohnt alle recht weit voneinander entfernt – da stelle ich es mir verdammt schwer vor, einen gemeinsamen Nenner zu finden – insbesondere dann, wenn sich so viele unterschiedliche Einflüsse auf einem Album zusammenfinden sollen…? Für eure neue Single “Alles erreichen” beispielsweise würden andere Bands sich ein Bein ausreißen!

Johannes: Die großen Entfernungen zwischen unseren Wohnorten sind tatsächlich oft ein Problem. Mal eben im Proberaum treffen und ein bisschen jammen geht nicht. Das muss immer Wochen vorher geplant werden und dann setzen wir uns meistens eine ganze Woche am Stück in den Proberaum und schreiben. So ist dann nach und nach das Album entstanden.
Einen gemeinsamen Nenner für die Songs zu finden, fiel uns tatsächlich noch nie schwer. Wir haben über die Jahre, in denen wir jetzt zusammen spielen, mittlerweile ein Gefühl dafür entwickelt, worauf wir Bock haben und worum es uns bei Kind Kaputt geht. Wir fragen uns beim Schreiben eigentlich nur: Macht uns das gerade Spaß zu spielen, haben wir Bock drauf? Und wenn wir das alle mit “Ja” beantworten können, wird es gemacht. Auch die Auto-Tune Parts sind so entstanden.
Und: Vielen Dank für die Blumen zu “Alles erreichen” <3

Tracks: Gibt es einen Song, den Du besonders aus dem Album hervorheben würdest und der Dir ganz besonders am Herzen liegt?

Johannes: Das ist echt schwer, ich mag die alle. Auf Stolpern bin ich stolz, weil der so anders ist als alle Songs, die wir bisher gemacht haben und die Leute fühlen ihn trotzdem.
CH2O finde ich sehr spannend. Wer unser Debüt-Album “Zerfall” gehört hat, dem fällt vielleicht auf, dass CH2O auf eine gewisse Art das versöhnliche Gegenstück zum Song “Abschied” ist. Bei dem Song merkt man, wie sich unsere Texte über die Jahre gewandelt haben und dass nicht mehr alles so schwer und schmerzhaft sein muss. Mir persönlich liegt auch “In Frieden” sehr am Herzen. Für mich markiert der Song das Ende der Gefühlswelt, die auf unserem Debütalbum vorherrscht. Diese Gefühlswelt hinter mir zu lassen, war ein langer Prozess, der mich auch weit nach dem Release der Platte noch beschäftigt hat. Aber mit dem Song habe ich da meinen “Frieden” gefunden.

Tracks: Wenn ich den Reifeprozess von Kind Kaputt beschreiben sollte, dann fällt mir auf, dass sich Euer Themenschwerpunkt leicht verschoben hat. Früher war Euer Blick wirklich nur auf Euch selbst gerichtet. Frei interpretiert: ICH bin kaputt. Mittlerweile scheint es Euch aber zu gelingen, für Eure ganze Generation zu sprechen. WIR sind kaputt. Ist an dem Gedanken was dran?

Johannes: Es gab auf jeden Fall keinen bewussten Entschluss in der Band zu sagen: “Lass uns jetzt mal die Texte so schreiben, dass sie für eine ganze Generation sprechen.” Das wäre auch irgendwie vermessen, denke ich. Ich glaube, uns fällt es mittlerweile leichter, das auf den Punkt zu bringen, was wir wirklich sagen wollen. Mehr noch: Wir trauen uns jetzt, das einfach so zu sagen. Diese Offenheit macht natürlich auch verletzlich, weswegen wir das in unseren alten Songs oft hinter komplizierten Metaphern verborgen haben. Aber ich glaube, sie sorgt auch dafür, dass mehr Menschen einen Zugang zu den Songs finden und sich in ihnen erkennen.

Tracks: Nochmal zur Müdigkeit und Erschöpfung und dem Kaputtsein: Wie hat sich Deiner Meinung nach der gesellschaftliche Blick auf Mentale Gesundheit in den vergangenen Jahren gewandelt? Merkst Du, dass es akzeptierter ist, zu sagen “ich kann nicht mehr”? Was müßte Deiner Meinung nach noch passieren, damit sich die Band in “Alle heile” umbenennt?

Johannes: Ich musste beim letzten Satz gerade herzhaft lachen. Das wäre wirklich mal eine drastische Namensänderung. Ich finde, der gesellschaftliche Blick auf mentale Gesundheit hat sich definitiv zum Besseren gewandelt. Allein die Tatsache, dass die Frage hier so selbstverständlich kommt, zeigt doch, wie sehr das Thema in die Köpfe der Menschen gerückt ist. ABER: Ich glaube auch, dass es stark auf die eigene Bubble ankommt. Für viele Menschen ist das leider immer noch ein Stigma und psychische Krankheiten werden mit “Geh mal mehr an die frische Luft!” abgetan.
In unserem Umfeld ist es normal, zur Therapie zu gehen. Auch wenn es für alle ein unglaublicher Kampf ist, überhaupt erstmal einen Therapieplatz zu bekommen. Daran muss sich also definitiv noch etwas ändern. Die Einsicht, Hilfe zu benötigen, ist bei vielen da, aber das Hilfsangebot muss viel niedrigschwelliger werden. Ich könnte mich jetzt auch noch über die “Work-Hard”- und “Hustle”-Mentalität in unserer Generation aufregen, aber ich glaube, das sprengt dann komplett den Rahmen.

Tracks: Vorhin sprach ich noch davon, dass euch bisher alles super gelungen ist. Aber eine Sache hat bei euch noch nie so richtig geklappt, wenn ich richtig recherchiert habe: Das Touren! Seit 2018 habt ihr selten längere Tourblöcke oder ganze Supporttouren gespielt. Das ändert sich nun im Herbst und Frühjahr und ihr habt wirklich ein beachtliches Pensum geplant. Wie bereitet ihr Euch darauf vor und was dürfen Fans sich von Euch erwarten?

Johannes: Fun Fact, während ich die Fragen hier beantworte, sind wir gerade in Nürnberg bei Mathis und proben für die Tour. Aber es stimmt, die letzten Jahre waren wir wenig am Stück unterwegs, was auch an der Corona-Pandemie lag. Wir haben uns für die Tour jedenfalls viel vorgenommen und bereiten gerade alles dafür penibel vor. Wir wollen da einfach so wenig wie möglich dem Zufall überlassen. Wenn das alles klappt, werden das wahrscheinlich die krassesten Kind Kaputt Shows bisher!

Be the first to comment

Leave a Reply