KIND KAPUTT – Morgen ist auch noch kein Tag

Foto by Miriam Gorr

KIND KAPUTT
Morgen ist auch noch kein Tag
Uncle M

Mit “Morgen ist auch noch kein Tag” veröffentlicht die deutsche Post-Hardcore Band Kind Kaputt heute nun endlich ihr lang erwartetes zweites Album. Mit dem Release ihres Debüt Albums “Zerfall” vor drei Jahren konnte die Leipziger Band größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich auch mit ihrer einzigartigen Aufstellung als Quartett von anderen Bands innerhalb der Post-Hardcore Szene wie zum Beispiel Fjørt, Sperling, Marathonmann oder Heisskalt abheben. Lediglich drei Mitglieder treten hier aktiv auf der Bühne in Erscheinung, während Fabian Willi Simon für die visuelle Gestaltung rund um Kind Kaputt zuständig ist und dem Gesamtkonzept der Band durch seine begleitenden Bilder eine künstlerische Besonderheit verleiht. Musikalisch beweisen die Jungs zudem immer wieder, dass sie ihren ganz eigenen Sound gefunden haben und sich dennoch nicht zu sehr darin festfahren wollen.

“Morgen ist auch noch kein Tag” zeigt authentisch eine ganze Bandbreite an Gefühlen auf. Maßlose Überforderung, Hilflosigkeit, Wut, Zerrissenheit und gehaltvolle Themen, die besonders bei der jungen Generation Anklang finden dürften, zeichnen das Album aus. Dabei vermittelt Kind Kaputt diese Gefühlswelt sehr greifbar an ihre Zuhörer:innen, sodass man den Eindruck bekommt, vollkommen verstanden zu werden und auch ein klein wenig nachvollziehen kann, mit welchen Emotionen die Band während dem turbulenten Entstehungsprozess der Platte konfrontiert war. Unterstützt wurden sie dabei von Produzent Mathias Bloech, der auch als Sänger von Heisskalt bekannt ist.

In 12 Songs verdeutlicht das Quartett durchweg eindrucksvoll ihre musikalische sowie thematische Diversität. Es wird sich auf kein Genre festgelegt, das Album wirkt anders und neu – aber dennoch eingängig, melodisch und die Einflüsse des Post-Hardcore sind weiterhin deutlich zu spüren. Besonders ist diesmal vor allem die Nutzung von Autotune und auch der beeindruckende Fakt, dass Kind Kaputt nur mit einer Besetzung aus Gesang, zwei Gitarren und Schlagzeug funktionieren und der Bass Sound durch eine ausgeklügelte Zusammensetzung von unterschiedlichen Effekten und tiefgestimmter Bariton-Gitarre entstanden ist, beweist wieder einmal, dass das Quartett großen Wert auf Vielseitigkeit und künstlerische Weiterentwicklung legt.

Auf der Platte ist so vor allem die dritte Single-Auskopplung “Stolpern” hervorzuheben, die mit dem Einsatz von Autotune überrascht. Der Song baut sich nur langsam auf, bis sich die Drum Machine Sounds von einem stockenden und müden Intro in ein Klangbild entwickeln, das aus wütendem Gesang sowie verzerrten Gitarren angetrieben wird und zum Ende hin in geladenen Shouts ausklingt.
Die vierte Single “Alles erreichen” gibt sich nach einem rasanten Einstieg, der mit seinen Instrumentals schon fast an einen Kraftklub Track erinnert, dem Gefühl der Frustration und Enttäuschung hin. Als Gegensatz dazu gibt “Gegen Dich” in besänftigtem Ton einem aber wieder den Mut, sich selbst eher versöhnt gegenüber und nicht vollkommen im Weg zu stehen.
Tracks wie “Anfang und Ende”, “Kenntnisstand” oder “Gut Gemeint” bestechen durchweg mit dem umfangreichen und dynamischen Sound, der Kind Kaputt seit Jahren auszeichnet. Ihre einzigartige Spielweise mit verzerrten Gitarrenriffs, verschiedenen Bass-Effekten und Klängen eines Synthesizer finden ihren Platz neben den gefühlsstarken Lyrics, die einem Sänger Johannes mit seiner ausdrucksvollen Stimme vorträgt.

“CH2O” und “In Frieden” heben sich durch ihren Chorgesang nochmal entscheidend von den anderen Titeln der Platte ab. Bei ersterem ist anzumerken, dass dieser ganz ohne Schlagzeug auskommt und nur durch eine einzige Gitarre im gesamten Verlauf des Liedes begleitet wird. Durch die sehr ruhige Atmosphäre kommt in dieser Ballade eine melancholische, aber auch reifere Seite von Kind Kaputt zum Vorschein. Hier wird an einem besonderen Erlebnis festgehalten, wobei der Song mit langsam ausklingendem Chorgesang eine gewisse Intimität verspüren lässt und die Band so nahbarer wird.
“In Frieden” wirkt als letzter Song auf “Morgen ist auch noch kein Tag” schließlich wie ein geeignetes Finale für ein grandioses Album. Das zu Anfang durch den Gesang monoton daherkommende Lied schwingt in rasantere Drumparts um, die immer schneller werden und mit dem Einsatz des fragend männlichen Chorgesangs eine drückendere Stimmung erzeugen. Mit einem letzten “Ruh’ in Frieden” vergeht der Track dabei in einem instrumentalen Outro aus harten Gitarrenriffs, die hallend ausklingen und darin vorerst die Verarbeitung der behandelten Thematiken begründen.

Kind Kaputt liefern mit “Morgen ist auch noch kein Tag” ein starkes Album für eine gesamte Generation geschaffen, das vor allem auch durch die persönliche Weiterentwicklung als Band angetrieben wurde. Die Post-Hardcore Gruppe wirkt erwachsener und greift wie gewohnt thematisch sehr wichtige Themen auf, die sich im Vergleich zum Vorgänger “Zerfall” nun mehr mit dem “Wir” als dem “Ich” beschäftigen. Dabei schafft es die Band einen als Zuhörer:in zu begeistern, sowohl musikalisch als auch textlich. Kind Kaputt sind definitiv empfehlenswert – um dabei den gesamten Umfang ihrer Kreativität erfassen zu können, muss man diese Platte auf jeden Fall selbst gehört haben!

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