RAMMSTEIN – Zeit

RAMMSTEIN
Zeit
Rammstein/Universal Music
 
lg. Offenbar hat die Pandemie einigen Bands aufgrund ausfallender Konzertreisen viel Zeit eingeräumt, so dass die Kreativität vermehrt ihren freien Lauf nehmen konnte. Rammstein haben weniger als drei Jahre gebraucht, um dem letzten Album „Rammstein“ (2019) mit „Zeit“, dem insgesamt achten Album der Berliner Truppe, einen Nachfolger zur Seite zu stellen, was im Vergleich zum Abstand nach „Liebe ist für alle da“ satte sechs Jahre weniger ist. Aufgenommen haben Rammstein die elf Songs mit einer Spieldauer von insgesamt 44 Minuten in der südfranzösischen und sehr malerischen Kleinstand von Saint-Rémy-de-Provence mit Produzent Olsen Involtini. Rammstein zeigen auf „Zeit“ wie bereits auf den letzten Scheiben mehrere Gesichter. „Zick Zack“, „OK“, „Dicke Titten“ (mit coolem Blasmusik-Intro) oder „Giftig“ repräsentieren die Brecher, die „Party-Songs”. Diese Disziplin beherrscht die Truppe um Frontmann Till Lindemann nach wie vor perfekt (und verpackt vornehmlich Themen wie Sex und/oder Gewalt in den Texten). Doch auch die ruhigeren und melancholischen Seiten von Rammstein, welche sich bereits mit Songs wie „Ohne Dich“ oder „Mutter“ vor vielen Jahren bemerkbar gemacht haben, werden weiter facettenreich zelebriert, was in Songs wie dem Opener „Armee der Tristen“, dem vorab ausgekoppelten „Zeit“, „Schwarz“ oder „Meine Tränen“ mündet. Besonders erwähnenswert sind auch Tracks wie „Lügen“ oder „Angst“, die unterschwellig einen fies und theatralisch agierenden Till Lindemann präsentieren. Die Bedeutung von „Adieu“, ein Song, der wie auch andere Songs auf dem Album vom Tod handelt, ist unklar. Wollen Rammstein mit diesem im Vergleich zu den letzten paar Scheiben stärkeren Album wirklich (bereits) abtreten? Rammstein wirken auf „Zeit“ nach wie vor vielschichtig, ungezügelt und tiefgründig, zählen aber bereits längst zum Establishment des Rocks, was kein Vorwurf sein soll. Museal sind Rammstein noch lange nicht. Man darf auf die anstehende Tour gespannt sein. Und die lyrischen Ergüsse suchen eh seinesgleichen…
 
Laurent Giovanoli

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