RAMMSTEIN @ Letzigrund – Zurich

Die Rock-Giganten von Rammstein sind zurück

Rammstein 30. Mai 2022, Stadion Letzigrund

lg. Schon ab Mitte Nachmittag sind sie zu sehen, die angereisten Rammstein-Fans aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland. Erwartungsfroh strömen sie ins mit 47’000 Zuschauern ausverkaufte Letzigrund-Stadion in Zürich. Der Einlass avanciert aufgrund der personalisierten Tickets allerdings zur Geduldsprobe, so dass wohl nicht ganz alle bei Showbeginn von Rammstein im Stadion waren.

Erstmals geht es mit dem bereits auf früheren Touren als Einheizer fungierenden französischen Duo Jatekok los, das auf einem Klavier und somit mit vier Händen Rammstein-Songs interpretiert. Mehr als Background-Musik ist das nicht.

Kurz nach 20 Uhr und angesichts des noch reichlich vorhandenen Tageslichtes deutlich zu früh betreten Rammstein ihre monumentale Bühne nach einem ersten Feuerwerk zur Musik von Händel. Los geht es mit rauchenden Schloten und den beiden neuen Songs «Armee der Tristen» und «Zick Zack», der ersten Single-Auskoppelung von «Zeit» mit einem auffälligen Flake (Keyboards) ganz goldig gekleidet. Bei «Links 2-3-4», einem Song von «Mutter» (2001), kocht es erstmals im Publikum, um dann nahtlos in das grossartige «Sehnsucht», einem der Hits der Band, überzugehen. Bei «Zeig Dich», einem Song über Pädophilie in der Kirche, werden erstmals grossen Feuerwerke gezündet, was in Kombination mit blutroten Kirchenfenstern eine grössere optische Wirkung erzielen kann. Das getragene aber nicht minder gute «Mein Herz Brennt» entfaltet seinen vollen Effekt mit einer grandiosen und ganz in rot getauchten Bühne. Mit dem überdimensionierten Kinderwagen beim psychotischen und Industrial-lastigen «Puppe», der im Verlaufe des Songs in Flammen aufgeht, und dem darauffolgenden schwarzen Konfettiregen, wird es erstmals richtig finster im Letzigrund. In die gleiche Kerbe schlägt «Heirate Mich» vom Debüt «Herzeleid» aus dem Jahre 1995, mit welchem Rammstein ein ganzes Genre definiert haben. Ein erster ganz grosser Höhepunkt der Show! Das neue und melancholische «Zeit» beendet den bereits packenden ersten Set vom Rammstein. Nach «Deutschland» als Remix ab Band geht es dann mit der «richtigen» Version dieses Prachtsongs weiter. Das sehr tanzbare «Radio» lockt das Publikum weiter aus der Reserve und geht dann in den fiesen Kannibalen-Kracher «Mein Teil» über, bei welchem Keyboarder Flake – diesmal im Glitteranzug – in einem gigantischen Kochtopf ordentlich von Metzger Till Lindemann flambiert wird. Phantastisch. Nun folgen Hit auf Hit – untermauert von einer überirdischen Show. Bei «Du Hast» brennt quasi das ganze Stadion und beim letzten Song des regulären Sets, «Sonne», wird nicht minder gekleckert. Ein Superlativ jagt das Nächste. Nach knapp 90 Minuten verabschieden sich Rammstein ein erstes Mal vom Publikum.

Warum ein Überhit wie «Engel» als akkustische Version im Zugabenteil auf einer kleinen Bühne verheizt wird, verstehen allerdings nur die Götter – auf jeden Fall werden die Engelsflügel vermisst. Immerhin kann die Band so bei der Schlauchbootfahrt von der kleinen Bühne inmitten des Publikums das Bad in der Menge geniessen. Das sehr eingängige und schon fast discomässige «Ausländer» rehabilitiert den Sechser aus Berlin. «Du Riechst So Gut» ist dann wieder die Uralt-Riffwalze, auf die viele gewartet haben. Beim poppigen «Pussy» zeigt sich Lindemann erstmals für seine Verhältnisse fast schon zahm, bevor er ein überdimensioniertes Rohr zu Hilfe nimmt und die willige Menge entsprechend mit weissem Schaum besprüht. Der zweite Zugabenblock beginnt mit «Rammstein», bei welchem Lindemann eindrücklich mit Flammen um sich wirft. «Ich Will» und «Adios» schliessen diese äusserts eindrückliche, von Pathos und Dunkelheit beherrschte Show einer Ausnahmeband, welche zu den allergrössten Acts dieser Zeit zählt. Auch soundmässig zeigt sich der Abend gelungen, auch wenn das offene Stadion Letzigrund nur schwer zu bespielen ist.

Rammstein ist die einzige Stadionrockband, die es geschafft hat, Shows auf ein nächstes und fast schon überirdisches Level zu hieven. Dies hat die Band anlässlich der endlich nachgeholten und ursprünglich für 2020 angekündigten Stadiontour durch Europa nun eindrücklich bewiesen. Im Fazit bleibt grossartiges und massentaugliches Entertainment der brachialen Rock-Maschine!

Laurent Giovanoli

Photos: Andy Gaggioli

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