AMY WINEHOUSE At The BBC Boxset

AMY WINEHOUSE At The BBC Boxset

AMY WINEHOUSE
At The BBC Boxset
Universal

 

ip. Die Reise durch Amys Karriere beginnt mit dem Tribute von Jools Holland, dem Multientertainer und Gastgeber der berühmten “Later with…” Sendung, auf DVD 1.

Gleich der erste Song, ihr TV Debut “Stronger Than Me” aus dem Jahr 2003, ist berührend anzusehen. Ohne Beehive, aber mit hellblauer Stratocaster um den Hals, ist ihre Stimme noch nicht von Drogen gezeichnet und man kann hören, wie natürlich Amy Winehouse mit ihrem Talent umgeht und wie sie immer hätte singen können. Zwischen den Zeilen kann man aber auch eine Sängerin entdecken, die innerlich in der Musik aufgeht, sich dennoch auf der Bühne nicht sehr wohl zu fühlen scheint und physisch sehr zurückhaltend agiert. Vielleicht war dies ein Gefühl, dass sie ständig begleitete, das sie für ihre Musik in Kauf nahm und das irgendwann übermächtig wurde. Wann immer Amy auf einer Bühne stand war sie ein Teil ihrer Musik, aber selten bei ihrem Publikum. Ihre Bewegungen wirkten oft ungelenk und Augenkontakt mit dem Publikum war vor allem gegen Ende ihrer Karriere rar. Aber auch das gehörte zu Amy Winehouse und half dabei, ihr aussergewöhnliches Gesangstalent ein wenig zu relativieren. Denn eine Diva, das bestätigen die Wortmeldungen von Nas oder Dan Cairn in dem mit ausgewählt raren Fotos der Sängerin versehenen und sehr schön aufgemachten Booklet, nie.

Auf Disc 2 (nur Audio) sind Titel von diversen Konzerten in lockerer Reihenfolge aneinandergehängt und vereinigen sämtliche Hits von “Rehab” über “Love Is A Losing Game” bis “Valerie”. Natürlich wiederholen sich die Songs auf jeder DVD/CD, denn Winehouses Laufbahn beschränkte sich im wesentlichen auf zwei Studioalben und bietet insofern keinen umfangreichen Abwechslungsspielraum. Aber die Livetracks sind mit Bedacht ausgewählt und erinnern mit Respekt an die aussergewöhnliche Künstlerin.

DVD 3 zeigt ihren Auftritt der Porchester Hall Sessions im August 2007, der auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stattfand, der aber auch einer der letzten vor ihren berüchtigten Alkoholexzessen war. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits mit Fielder-Civil liiert und ihre Stimme nicht mehr durchgehend auf der Höhe (wenn man das bei ihr überhaupt behaupten kann). Während dieser Show nehmen ihre stimmlichen Ausschmückungen teilweise überhand und diese Spielereien lenken manchmal allzusehr von ihrem wahren Talent, nämlich der gefühlvollen Interpretation ihres Repertoires, ab. Textlich kann man Amy nur schwer folgen, denn auch ihre Aussprache leidet streckenweise sehr unter ihrer recht exzentrischen Art zu singen. Besonders der letzte Song, das eigentlich sehr lüpfige “Monkey Man”, glänzt dann auch hauptsächlich durch die grossartige Band und die beiden Backupsänger, die allesamt durchgehend brillieren.

Ein absolutes Highlight dieser Box ist die Dokumentation “The Day She Came To Dingle”, das nicht nur den Auftritt in der Kirche im irischen Dingle 2006 zeigt, sondern zwischen den Songs Interviewausschnitte mit Winehouse, aber auch kurze Einblendungen von Sängerinnen wie Mahalia Jackson, Carleen Anderson oder Sarah Vaughn und weiteren Jazzgrössen wie Ray Charles einstreut. Dieser Auftritt fand in der kleinen Kapelle von Dingle statt, die lediglich Platz für rund 80 Leute bietet und ist ein höchst dezenter Leckerbissen. Amy Winehouse singt ohne Schnörkel, in Turnschuhen und mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Wären die übrigen drei Ton/Bildträger für sich schon sehr sehenswert, wäre alleine dieses letzte Dokument ein Grund, sich diese schöne Box zu besorgen. Als Aufwartung für das Talent einer einzigartigen Sängerin ist dieser Nachruf als Erinnerung an die Stärken von Amy Winehouse ein grosses Ausrufezeichen.

Hanns
About Hanns Hanneken 528 Articles
Hanns, der Gründer von TRACKS, ist der CH-Musikszene seit den 80er-Jahren als Produzent, Musiker und Redaktor eng verbunden. Er war jahrelang Chefredaktor des Schweizer Musikmagazins MUSIC SCENE, des deutschen Magazins MUSIK SZENE und arbeitete für u. a. MUSIK EXPRESS, METAL HAMMER.