THE YOUNG GODS – Die Pionier-Band aus der Schweiz

Franz Treichler, Mastermind, Sänger, Gitarrist und einziges konstantes Mitglied der seit den 80er Jahren aktiven Industrial Rock-Wegbereiter The Young Gods hat mit TRACKS anlässlich der bevorstehenden Veröffentlichung des neuen Albums „Data Mirage Tangram“ gesprochen, des ersten Albums seit 2010.

lg. Seit dem letzten Album „Everybody Knows“ (2010) sind einige Jahre vergangen, weshalb es interessiert, was die Protagonisten von The Young Gods in den letzten Jahren angepackt haben. Franz hält mit einem Lachen fest, dass es nur knapp 8 Jahre gedauert hat, denn das letzte Album kam Ende 2010 und „Data Mirage Tangram“ war im Juni 2018 fertig. Franz Treichler erzählt: „Wir haben 6 Monate zu viert getourt, dann verstreuten sich die Mitglieder in alle Richtungen. Vincent hatte keine Lust mehr und Cometo (Al Comet, langjähriger Keyboarder) ging nach Indien. So ging bis Mitte 2012 nichts, bis ich angefragt worden bin, mit The Young Gods anlässlich der Vernissage des bemerkenswertes Buches „Heute und danach: The Swiss Underground Music Scene of the 80’s“ in der Roten Fabrik in Zürich zu spielen. Mit Bernard Trontin (dr.) und dem damals arbeitslosen Rückkehrer und Mitbegründer von The Young Gods Cesare Pizzi an den Keyboards hatte ich rasch ein Line-Up zusammen und wir spielten Songs der ersten beiden Alben („The Young Gods“, „L’Eau Rouge“).“ So ging es 2013 weiter, während Al Comet auf einem anderen Trip war, Sitar gelernt und andere Projekte verfolgt hat und sein Weg sich von uns distanzierte. 2014 traten The Young Gods auf verschiedenen Festivals in Europa auf. Franz weiter: „Wir entschieden dann, dass es Zeit für neue Musik ist. Wir wurden vom Cully Jazz Festival eingeladen, auf der Bühne des The Hundred Blue Bottle Club-Weinkellers ein offenes Labor aufzubauen – für die Dauer des ganzen Festivals im Frühling 2015. Das war der Moment, an dem die neuen Songs erstmals in Erscheinung traten. Wir wussten nicht, wohin die Reise geht. Wir experimentierten 10 Abende hintereinander mit je drei einstündigen Sets als die Treichler Pizzi Trontin Experience (TPT Experience). Das Publikum kam und ging. Wir fühlten uns nicht verpflichtet, ein fertiges Produkt präsentieren zu müssen. Es war äusserst interessant und stimulierend.“ Selbstverständlich wurden diese Auftritte aufgenommen und aus den vielen Stunden Musik filterten die drei Herren die besten Ideen heraus, die schliesslich zu den sieben Songs auf „Data Mirage Tangram“ geführt haben.

In den darauffolgenden drei Jahren entstand so das fertige Album mit dem unkonventionellen Titel „Data Mirage Tangram“. Ein Tangram ist ein chinesisches Geduldsspiel, bestehend aus sieben Teilen in einfachen geometrischen Formen. Die Teile entstehen durch das „Zerschneiden“ eines Quadrates in zwei große Dreiecke, ein mittelgroßes Dreieck, zwei kleine Dreiecke, ein Quadrat und ein Parallelogramm. Aus diesen Teilen können zahllose Formen gelegt werden, die dann Tiere oder andere Gestalten zeigen. Üblicherweise müssen dazu alle Teile verwendet werden, wobei sie nicht übereinandergelegt werden dürfen. Franz gibt für den Titel folgende weiterführende Hinweise: „Auf dem Album finden sich auch dem Tangram folgend sieben Songs. Mit Data wollen wir auf die heutige Zeit aufmerksam machen, der Zeit, in welcher Big Data Macht bedeutet. Mit Mirage (englisch für Fata Morgana) wollen wir auf die Illusion aufmerksam machen, die mit den Daten einhergehen kann. Man vertraut sich stark neuer Technologien an, die Informationen und Daten stimmen nicht zwingend immer überein. Es geht zumeist um Geld – denn Daten bedeuten Geld, so wie man es an den grössten Unternehmen der heutigen Zeit sieht“. Allerdings sieht Treichler in neuen Technologien nicht nur Schlechtes. „Die neuen Generationen wachsen damit auf. Ich sehe auch Platz für alle Musikformate – von Vinyl bis zu Streaming. Für Letzteres braucht man allerdings wiederum ein Smartphone…“.

Für die Kunst von The Young Gods sei die Zeit der limitierende Faktor. Antrieb für Franz Treichler sei „Spass zu haben, die Wünsche jedes Line-Ups zu verstehen und umzusetzen, die Energie des Rocks sowie die Do-it-Yourself Attitüde, die ihren Ursprung im Punk hat“. Als seine Haupteinflüsse nennt er Pink Floyd, The Beatles und The Doors sowie auch Sachen aus dem Metal- und Elektrobereich. Die Vorreiterrolle von schweizerischen Bands wie Celtic Frost, Coroner oder The Young Gods sieht er darin begründet, dass „die Schweiz ein kleines Land von Pionieren ist, in welchem auf kleinem Raum viel geschieht, dass von einer breiten Öffentlichkeit kaum oder wenig wahrgenommen wird.“ Auch aktuelle Schweizer Acts sprechen Franz Treichler stark an wie beispielsweise die grossartigen Emilie Zoé oder Aisha Devi

Im Frühjahr findet eine Europatour statt, für welche The Young Gods fünf Shows in ihrer Heimat vorsehen: Lausanne (21.3) , Winterthur (19.4), Basel (20.4, im Rahmen des sehr empfehlenswerten Czar Fest), Bern (26.4) und La-Chaux-de-Fonds (27.4) stehen auf dem Programm. „Wir werden im Herbst sicher weitere Shows in der Schweiz spielen – Zürich, Genf und Fribourg im Fri-Son werden Stationen sein. Auch weitere Shows in Europa und weiter weg werden dann stattfinden“. Es lohnt sich, The Young Gods Live zu erleben – eine leider etwas verkannte Band im eigenen Land! Eine ganz besondere Show findet am 25. Mai in Fribourg statt: The Young Gods werden mit Die Landwehr, das Blasorchester der Stadt und des Kantons Freiburg. “In C”, das bekannte Stück des amerikanischen Komponisten Terry Riley spielen, geschrieben im Jahre 1964. “In C” wird oft als die erste minimalistische Komposition betrachtet.

Auf die drei Alben angesprochen, welche er als Haupteinflüsse sieht, gibt Franz Treichler gleich einen ganzen Blumenstrauss von zehn Alben an: Pink Floyd („Meddle“), The Beatles („Abbey Road“), The Doors („L.A. Woman“), Sex Pistols („Never Mind The Bollocks“), Einstürzende Neubauten („Zeichnungen des Patienten O.T.“), Kraftwerk („Computerworld“), The Rutz („Crack“), The Stooges („Fun House“), Brian Eno („The Shootov Assembly“), und Aphex Twin („Selected Ambient Works II“). Was für eine Auswahl und Lehrstunde…  Der geneigte Musikhörer braucht da wohl etwas Zeit, sich einzuarbeiten.

Den Antrieb, immer weiter zu gehen, Neues auszuprobieren und Kollaborationen und Projekte aller Art zu suchen, sieht Treichler in seinem künstlerischen „Zwang“, Musik zu machen. Zudem gibt ihm die Kommunikation mit Personen via des Mediums Musik sehr viel. Mittels seiner Musik teilt er auch die Energie der Leute, mit denen er lebt (seine Bandkollegen, seine Frau). Mit „Data Mirage Tangram“ ist Franz Treichler zusammen mit seinen beiden Mitstreitern ein weiteres tolles Album gelungen, welche die Vorreiterstellung von The Young Gods auch heute unterstreicht.

Laurent Giovanoli

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