BYE BYE, TREEKILLAZ’’

TREEKILLAZ’’

Interview

ah. Nach zwanzig Jahren Rock’n’Roll beerdigen Treekillaz’’ sich selbst. Mit Schock und Trauer wohnen wir der Beisetzung am Freitag, 26. Januar 2018, im Gaskessel Biel bei. Doch bevor die Schweizer das Handtuch werfen, beantwortet der Treekillaz’’-Gitarrist Jessi Brustolin dem TRACKS geduldig alle Fragen zu den wichtigsten Ereignissen und sonstigen Dingen, die sie in ihren zwanzig Jahren Bandkarriere noch nie gefragt wurde. Aber liest selbst:

Interview: Aline Hug

 

Warum die Auflösung?
Unser Sänger, Martin Bucher, möchte nichts Grosses mehr anreissen. Ein Bisschen Jammen liegt zwar noch drin, aber lediglich im Privaten Umfeld. Zwanzig Jahre im Musikbusiness sind dem Sänger genug.

Und dem Rest der Band?
Uns nicht. Für uns ist die Bühnenkarriere noch nicht fertig.

Was für Projekte verfolgt ihr in Zukunft?
Die Hinterbliebenen – also der Schlagzeuger Heinz Baumann, der Bassist Resus Joder und ich – werden ein neues Projekt beginnen. Es haben sich bereits einige neue Musiker gemeldet, die gerne was mit uns anreissen möchten. Fest steht aber, dass wir nicht mehr unter dem Namen Treekillaz’’ auftreten werden. Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen.

Wurden nun alle Wunschträume auf den Miststock geschmissen?
Nein, wir hatten gar nie grosse Wunschträume. Wir dachten jeweils nur schrittweise über unsere Karriere nach. Zuerst war unser Ziel, Konzerte zu spielen. Danach, in der ganzen Schweiz Konzerte zu geben. Dann eine Tour zu machen, dann mit einer anderen Band als Highlight eine Tour zu machen, anschliessend wollten wir durch Europa touren…. Wir wollten erfolgreich sein, aber nie finanziell abhängig. Das heisst: Wir hatten ein Treekillaz’’-Konto, wo mal viel drauf war und dann mal wieder gar nichts – aber es wurde nie Geld aus der Band genommen. Das war ein Konto für die Band und nicht für Einzelne, Ausnahmen hat es nie gegeben.

Im zweiten Song «Take It Slow» eurem letzten Album «8.11». singt ihr davon, dass ihr es langsamer angehen möchtet. War dies ein Hinweis auf die bevorstehende Auflösung?
Nein, da gibt es keinen Zusammenhang. Martin wollte schon seit zwei Jahren alles etwas ruhiger angehen. In seinem Unterbewusstsein war eine Auflösung vielleicht damals schon klar, aber sicher nicht bewusst.

«8.11» ist metalliger als üblich: Wie kommt das?
Wir haben uns in den zwanzig Jahren musikalisch stets entwickelt. In den letzten Jahren haben wir uns mehr vorwärtsentwickelt, spielten direkter und weniger Grunge. Die beiden letzten Alben sind beim Publikum sehr gut angekommen. Wir haben viele Rückmeldungen erhalten, die besagten, dass wir so eigentlich schon vor zehn Jahren hätten spielen sollen.

Hat euch am Ende ein neuer Produzent zu mehr Metal auf «8.11.» verholfen?
Nein, ich produziere alles selber: Schreibe die Texte, übernehme die Aufnahmen und alles rundherum.

Hört ihr auf, weil, wie man oft hört, etwas falsch läuft im Rock’n’Roll?
Hmmm… Man muss eigentlich fragen, was im Musikbusiness grundsätzlich falsch läuft. Die Story um eine Band ist wichtiger geworden als die Songs, die sie produziert. Und das ist ein absolutes No-Go! Auch ist die ganze Musikszene kurzlebiger geworden. Einerseits haben so die jungen Musiker schneller eine Chance, bekannt zu werden, und können die Schnelllebigkeit marketingtechnisch gut ausnützen. Jedoch ist die ganze Branche zu kurzlebig geworden. Und die Labels haben in den letzten Jahren massiv versagt. Die Musik hat keinen Wert mehr. Alles funktioniert wie bei einer App: Man schaut es sich kurz an und klickt es genauso schnell wieder weg.

Du sprichst es an: Ist es in der heutigen Zeit des Streamings überhaupt noch möglich, Geld mit Musik zu verdienen?
Jein. Man verdient als Produkt in der Industrie, indem man seine Tracks für die Werbung oder Filme verkauft. Aber rein vom Verkauf von CDs und dem Konzertgeben verdient man nichts mehr. Der Aufwand für ein Konzert ist zu hoch, es geht nur noch um die Show und die Party. Sowas kostet sehr viel. Aber dies wird sich ändern. Die Tourproduktionen und die Konzertpreise werden sich ändern müssen. 120 Stutz für ein Konzertticket der Stones?! Das ist doch viel zu viel und muss sich relativieren. Die Masse wird irgendwann nicht mehr bereit sein, so viel für Konzerttickets auszugeben.

Ist Musiker zu sein demnach ein brotloser Job?
Für viele ist es das schon immer gewesen. Aber das Geld ist immer noch für viele nur eine von vielen Komponenten. Durch die Musik wird es sicherlich keine Millionäre mehr geben wie damals in den 70ern und 80ern. Aber es wird immer noch die Leute geben, die die Musik nebenbei leben werden.

Bestes Erlebnis in der Treekillaz’’-Geschichte?
Da gibt es viele… Zum Beispiel, als wir bei dem Plattenlabel Warner unterschrieben haben. Oder als wir angefangen haben, an Festivals zu spielen. Auf den Tourneen mit Clawfinger war jeder Tag ein Highlight – da könnte ich dutzende Bücher drüber schreiben nur mit Geschichten davon. Aber das grösste Highlight war wohl das Konzert am Frauenfeld-Openair mit zehntausend Besuchern.

Konzert oder Festival?
Beim Festival kann man mehr Leute erreichen. Vor so vielen Leuten zu spielen, das ist einfach… wow! Aber es ersetzt niemals ein Konzert in einem Lokal mit 300 Besuchern. Das ist viel kleiner, rauchig, intimer – und man kann besser miteinander kommunizieren. Und wir sind ja sehr kommunikativ.

Euer bestes Konzert ever?
Grundsätzlich immer dann, wenn es wenige Leute hatte. Dann sind wir jeweils über uns hinaus gewachsen. Einmal spielten wir drei Stunden im Gaskessel in Biel. Wir konnten spielen, bis der Laden dichtmachte, und niemand hat uns aufgehalten. Vielleicht ist der Veranstalter damals durchgedreht, das wissen wir nicht mal. Wir haben unser Ding durchgezogen!

Bestes Festival ever?
Das Frauenfeld-Openair. Das war vor dem Auftritt von Adrian Stern, damals, als er noch gute Musik gemacht hat (lacht). Ich weiss noch, beim zweiten Song sagte Martin zur Meute: «Wir sind übrigens die letzte Band, die richtig mit euch sprechen wird!» Und so war es auch.  

Wo hättet ihr gerne mal gespielt?
Am Wacken-Openair.

Beste Vorband, die ihr je hattet?
(überlegt) Hmmm…. Da kommt mir grad keine in den Sinn. Aber einmal waren Martin und ich als Akustik-Duo unsere eigene Vorband. Da spielten wir unbekannte Songs von coolen Künstlern, die niemand kennt. Es waren alles Coverversionen, aber das ist niemandem aufgefallen.

Beste Band, für die ihr je die Vorband wart?
Ganz klar: Clawfinger. Wenn man alles zusammenrechnet, haben wir bestimmt drei Monate am Stück miteinander gespielt. Es waren etwa neunzig Konzerte. Und ich mische für sie heute noch an den Konzerten.

Beschissenstes Erlebnis?
Als wir einmal in Ostdeutschland ein Konzert hatten, fuhren wir mit unserem Auto dorthin. Etwa dreissig Kilometer nach Basel machte die Karre schlapp, wir hatten einen üblen Motorschaden. Wir hatten zwar viel Aufwand und es war absolut beschissen, aber schafften es trotzdem irgendwie an das Konzert.

Die am meisten gestellte, aber nervigste Frage?
«Warum seid ihr nicht berühmt?» Und dies in einer Welt voller Menschen, die den ganzen Tag nur DRS3 hören und keine Ahnung von Musik haben.

Das lustigste Erlebnis mit Fans?
Früher haben wir viel bei Fans zu Hause geschlafen, weil wir keinen Schlafplatz hatten. Das Gleiche ist ungefähr Anfang 2000 passiert. Wir durften bei einem Fan übernachten. Aber seine Freundin ist fast durchgedreht (lacht).

Groupies?
Nein.

Schade?
Nein. Perfekt, so wie es war.

Welche Schweizer Band empfehlt ihr jetzt als Trostpflaster? 
Also die Young Gods muss man sich immer reinziehen! Die sind viiiel zu wenig bekannt, und von denen haben wir auch ganz viel mitgenommen, auch wenn man das vielleicht nicht sofort raushört. Ansonsten: Scream Your Name und The Souls.  

Was wurde euch vor und nach den Auftritten am meisten serviert?
Früher Vodka, aber das stand auch so im Rider. Aber den haben wir uns auch manchmal selbst gekauft. Bier und was zu Knabbern hat’s ja eh immer im Backstage.

Hattet ihr was ganz Verrücktes in eurem Rider?
Nein, wir haben auch erst einen Rider erstellt, nachdem wir schon lange auf Tourneen waren. Wir waren da sehr unkompliziert.

Man sagt ja, Rock’n’Roll heisst vor allem Warten. Welches Verhältnis hat denn nun der Rock’n’Roll und das Warten?
Neunzig Prozent Warten und zehn Prozent Rock’n’Roll. Aber diese zehn Prozent sind’s definitiv wert!

Das würdest du jedem raten, der eine Band gründen will?
Der Sänger von Pantera hatte mal einen «good advice» an einem Konzert. Er sagte: «You’re all fucked», und ich dachte «Yes!». Dem konnte ich wirklich nur zustimmen. Aber ich würde noch sagen: Mach dein Ding! Egal, was die Leute sagen. Am Ende deiner Karriere willst du sagen können, dass du dein Ding durchgezogen hast und deinen Weg gegangen bist. Und hoffe darauf, neben der Musik einen guten Job zu haben. (lacht)

Lieblings-Location, in der ihr je gespielt habt?
Früher haben wir den «Chessu» in Biel gehasst. Wir haben wenig gespielt und wir wollten auch nie. Mittlerweile ist es unsere Lieblings-Location. Wir werden dort auch unser Abschiedskonzert geben: Am Freitag, 26. Januar 2018.  

Man darf nur eine Treekillaz’’-CD auf eine einsame Insel nehmen – welche?
(Wie aus der Kanone geschossen) Die letzte. «8.11.». Das ist unsere Bestform.

Welcher Treekillaz’’-Song wird ins Wallhalla der Rock-Geschichte eingehen?
Auf dem ersten Album «Oxygently» der Song «Broken» – wenn wir damals alles richtig gemacht hätten. Wir haben zu viele Elemente eingebaut und dachten zum Beispiel, man kann drei Refrains im gleichen Song haben. Wir waren so unbekümmert, wir haben einfach mal gemacht. Es gibt zwar bessere Lieder, aber «Broken» wäre heute perfekt geworden. Obwohl: Dass wir damals einfach drauflosgespielt haben, finde ich heute noch cool.

Was wirst du am meisten vermissen?
Wir sind vier Personen, die seit zwanzig Jahren fast jede Woche zusammen geübt haben, auch wenn wir keine Gigs hatten. Dadurch sind wir uns sehr nahegekommen. Dieser Altherrentreff wird mir echt fehlen. Wir konnten zwei Stunden irgendwelches Zeug zusammenspielen und durch das Jammen fanden wir uns in neuen Stilen wieder. Diese Vertrautheit – das wird mir fehlen.

Das würdest du anders machen:
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich was falsch gemacht habe. Aber ich denke, es wäre gut gewesen, wenn wir am Anfang unserer Karriere bereiter gewesen wären – es bestimmter angegangen wären. Die jungen Bands heutzutage wissen genau, wohin sie wollen. So wie wir damals waren, würde es heute gar nicht mehr funktionieren. Du kannst nur noch irgendwo auftreten, wenn du tausende Facebook-Likes und schon einen grossen Namen hast. Die Clubs fördern nur noch die mit Plänen.

Lieblingsalbum?
«Dirt» von Alice in Chains

Lieblingssong?
«Visible Cow» von Barkmarket

Heute ist es oft so, dass sich Bands auflösen und nach einem halben Jahr wieder auf der Bühne stehen. Wie lange geht es, bis wir Treekillaz’’ wieder als solche auf der Bühne sind und Touren?
Unter diesem Namen zu 99.999 Prozent nie. Vielleicht gibt es einen Gig hie und da, aber wir werden so als Band nicht mehr auftreten.  

Und wenn Wacken anfragt?
Das haben wir uns auch gefragt (lacht). Wir haben beschlossen, dass wir zwei Mal üben und dann hingehen werden.

Würdet ihr sonst noch Ausnahmen machen? 
Wenn das Hellfest in Not wäre, würden wir da draus einen Wellness-Ferientrip machen. Oder wenn ein guter Freund anfragt, ob wir für seinen/ihren Geburtstag spielen. Oder wenn genau diese Personen irgendein Fest organisieren, dann würden wir vielleicht auch eine Ausnahme machen. Aber das wäre dann nur als Gefallen für diese jeweilige Person. Die Teffli-Rally wäre zum Beispiel so etwas. Wenn unser Freund Roy fragen würde, ob wir da spielen, müssten wir uns das überlegen.

Ihr seid das sicher schon tauuusendmal gefragt worden… Trotzdem: Warum die zwei Striche am Ende eures Bandnamens?
(lacht) Tatsächlich wurden wir das in unseren zwanzig Jahren noch nie gefragt. Wir wurden immer gefragt: wieso «-az» und nicht «-er». Wir fragten uns zu Beginn mal: Wie geil soll ein Name sein? Also dachten wir: Treekiller klingt beschissen – Treekillaz klingt weniger beschissen und mit den zwei Strichli ist es schon fast cool.

Das möchtest du den Fans/Tracks-Lesern mitgeben?
Geht in die kleinen Clubs. Geht Bands schauen, die ihr nicht kennt. Hört nicht nur das, was Spotify euch auf den Playlisten vorschlägt.

Ein abschliessendes Wort?
Ich gehe jetzt Fondue machen.

Danke, Jessi!
Bitte.

 

VERLOSUNG:

Tracks verlost 1 x 2 Tickets für das Beerdigungskonzert heute Freitag, 26. Januar, im Gaskessel in Biel.
Aber Obacht: Es gibt noch ein aller-aller-allerletzes Konzert im KiFF in Aarau am 2. Februar 2018. Wer also heute nicht kann, der/die kann am 2. Februar hingehen. Auch hier verlosen wir 1 x 2 Tickets für das wirklich allerletzte Konzert!

Aline
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Die Helden: Lemmy Kilmister, Jimi Hendrix, Jim Morrison.

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