THE YOUNG GODS Data Mirage Tangram

THE YOUNG GODS
Data Mirage Tangram
Two Gentlemen / Irascible

Also der Al Comet ist ausgestiegen aus den Young Gods, das ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre her, seither macht er solo Sitar-Musik in Fusion mit Elektro, die leider seinen eigenen Ansprüchen in keiner Weise genügt. Für Comet ist Cesare Pizzi, Urmitglied und also Al Comets Vorgänger, wieder in der Band. In den langen langen acht Jahren seit ihrem letzten Album haben The Young Gods hin und wieder ein paar Konzerte gegeben, und man konnte ihnen dabei zuschauen, wie sie mit den Jahren immer reduzierter und gleichzeitig verdichteter wurden, man könnte sagen: sphärischer – und den Beginn dieser Entwicklung auf das Album «TV Sky» von 1992 zurückdatieren. Viele Jahre also, um an diesem Konzept zu arbeiten und es bis zur Einzigartigkeit zu entwickeln. Ja, das war nötig, denn sphärisch zu spielen ist nicht einfach, sphärisch und dicht zu spielen ist schon sehr viel schwieriger, aber so sphärisch und dicht zu spielen wie die Young Gods, das ist fürwahr einzigartig – nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf Platte, wie wir jetzt mit «Data Mirage Tangram» einmal mehr zu hören bekommen.

Da ist natürlich Franz Treichlers Stimme, die weich und tief und dunkel und bedrohlich, liebevoll und abweisend in einem ist. Und da sind eben Cesare Pizzi an den Computertasten und Bernard Trontin am Schlagzeug, die beide auf ihren Instrumenten hochpräzise und hochverdichtet arbeiten.

«Data Mirage Tangram» besteht aus, wenn man so will, flächigen Stücken. Als würde man von oben auf eine Landschaft schauen, die sich nicht verändert, indem sie sich verwandelt, sondern indem Teilflächen verschoben werden, aufgeblasen und wieder reduziert, von weit aussen ins Zentrum gerückt und weiterverschoben, gedehnt und geschrumpft. Und zwischen der Klanglandschaft und uns als Betrachter schwebt Treichlers Gesang, der sich perfekt in diese Verschiebungen einfügt und das Ganze organisch macht. Entsprechend sind Young-Gods-Geschichten kleine Epen, man könnte sagen: Hochliteratur. Ober besser: Hochpoesie. Diesen Ausdruck gibt’s zwar nicht, aber ihr wisst, was ich meine. Die Vorabsingle mit dem bezeichnenden Titel «Figure sans nom» war ein passender Vorgeschmack, auf dem Album ist «All My Skin Standing» eine ungeahnt überwältigende Verschmelzung von Stimme, Computer und Rhythmus. Herrje, so viel Lob. Und kein Wort ist untertrieben.

Ausser eine kleine, unbedeutende weil persönliche Ansicht: Keine Band kann so übergangslos eruptiv von sphärischer Musik zu beinhartem Metal ausbrechen wie The Young Gods. Davon ist auf dem neuen Album nichts zu geniessen. War es schon auf dem letzten nicht und ist es auch live so gut wie nicht mehr. Das ist ein bisschen schade.

Christian Hug

Christian
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Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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