Geplant waren nur 20 Minuten. Aber dann haben wir eine volle Stunde mit der britischen Indie-Rock-Band The Subways gesprochen. Eigentlich war es nicht wirklich ein Interview, sondern mehr ein Kafi-Kränzchen vor ihrem Auftritt als Headliner an der Teffli-Rally in Ennetmoos NW. Mit viel Gelächter.
Interview: Aline Hug
Danke, dass wir das Interview machen können! Ich muss zugeben, es ist egal, wie oft ich schon Interviews machen durfte: Ich bin im Voraus immer ziemlich nervös. Heute habe ich tatsächlich meinen Pin-Code für die Bankkarte vergessen!
Charlotte Cooper: Oh, das ist mir auch schon passiert! Da denkt man sich echt: Wo sind diese Informationen hin in meinem Gehirn, ich weiss das doch! Das ist echt irgendwie furchteinflössend.
Josh Morgan: Sowas passiert mir nie, ich vergesse Nummern und Pin-Codes niemals. Aber wenn dafür jemand fragt, wo wir zum Beispiel letzte Woche gespielt haben, sage ich ganz zurückhaltend: …irgendwo in Deutschland. Ich kann mir solche Dinge teilweise einfach nie merken.
Ihr habt ja schon oft in Deutschland an Festivals gespielt. Charlotte spricht ziemlich gut Deutsch, wie sieht es bei den anderen aus?
Billy Lunn: (in Deutsch) Ein Bisschen Deutsch kann ich. Ich heisse…
Charlotte: (in Englisch) Das weisst du jetzt!
Billy: …ääähm…
Charlotte: (in Deutsch) Billy! Das ist dein Name!
Billy: (in Deutsch) Ach ja! Ich heisse Billy! Und ich bin vier und dreissig Jahre alt.
Josh: (in Deutsch) Mein heart brennt. (in Englisch) Ich bin ein grosser Fan.
Schau an, ein Rammstein-Fan! Ich habe mir vor kurzem ein Bandshirt von Ihnen gekauft, da ist der Bandname nicht präsent drauf. Nur das Logo ist zu sehen, «Zeig dich» steht drauf und zwei rote Striche, mehr ist da nicht. Ich finde das super, wenn Bandshirts nicht mit dem Logo oder Bandnamen plakatiert werden! Wie handhabt ihr das?
Billy: Wir haben das einmal versucht, ein Shirt mit «The Subways» drauf, ganz gross. Es war das am schlechtesten verkaufte Shirt ever. Und es war sogar meine Idee…
Josh: Unser Manager hat mal gesagt, Billy darf kein Merchandising mehr designen. (lacht)
Designt ihr eure Merchandise-Produkte und CD-Cover denn selbst, ausser Billy?
Billy: Am Anfang schon ja, aber je mehr Alben wir veröffentlichten, desto klarer hatten wir jeweils eine Idee, die auch auf dem Cover verwirklicht werden soll. Dann haben wir jemanden gefunden, der das für uns übernimmt. Sie war damals ein Fan und hat uns via Facebook ihre Designs gesendet. Daraufhin haben wir sie gefragt, ob sie unser nächstes Cover designen will. Und es steht eben nicht nur «The Subways» im riesigen Schriftzug drauf. Etwas, was ich toll und sehr simpel fand, war, als der Bandname nur auf dem abgebildeten Drum zu sehen war.
Vor etwa drei Jahren habt ihr in einem Interview bekanntgegeben, dass Billy den Bachelor machen möchte und 2019 euer neues Album erscheinen soll. Wie ist der aktuelle Stand des Albums? Und ist der Bachelor nun abgeschlossen?
Billy: Stimmt, das haben wir gesagt. Das war ein bisschen zu optimistisch…. (lacht)
Charlotte: Aber du hast den Abschluss gemacht.
Billy: Das ist richtig. Aber ich habe unterschätzt, wie viel Zeit das Studium benötigt. Ich konnte leider auch nicht viel Gitarre spielen in dieser Zeit. Wir waren in den drei Jahren während des Studiums jedoch immer in Kontakt und haben Ideen ausgetauscht. Vor einigen Monaten habe ich den Abschluss gemacht, und seither sind wir wieder auf Tour. Wir sind auch dran, an unseren neuen Liedern zu feilen. Die neuen Songs werden baaaald kommen.
Werdet ihr das neue Album wieder selbst produzieren, so wie ihr es das letzte Mal gemacht habt?
Billy: Ja, auf jeden Fall. In den drei Jahren hatten wir genügend Zeit zu schauen, was das Studio benötigt und was wir für Instrumente oder Technik kaufen könnten. Als Folge haben wir nun ein überfülltes Studio. Ich habe mit diversen Instrumenten etwas herumexperimentiert, es wird also spannend, das neue Album aufzunehmen. Ich habe zum Beispiel eine Violine gekauft – einfach, weil ich es konnte. Daraufhin habe ich mir selbst Violine-Spielen beigebracht. Sie wird wohl nicht auf dem Album sein, aber es hat bestimmt einen Einfluss auf die neue Musik.
Was war der beste und schlechteste Part, ein Album selbst zu produzieren?
Billy: Ehrlich sein, Leute. (lacht)
Josh: Ich glaube, die Verantwortlichkeiten waren nicht wirklich geklärt, das war ein Fehler.
Billy: Genau. Und wir hatten das Ziel etwas zu hoch gesteckt. Ich wollte, dass wir alles selbst aufnehmen, produzieren und dann noch alleine mixen. Ich war da stur und wollte das Abmischen unseres Sounds nicht jemand anderem überlassen – was aber besser gewesen wäre. Da steckt man halt sehr viel Vertrauen in eine andere Person. Man ist sich unsicher und fragt sich: Wird unsere Vision richtig aufgefasst? Kann der das? Wenn wir das aber nicht selbst so durchgedrückt hätten, wären wir wohl nicht da, wo wir uns jetzt befinden.
Wessen Idee war es, alles alleine zu machen?
Josh: Das war Billys Idee. Schon bei den ersten drei Alben war Billy sehr drauf erpicht, dass alles richtig läuft. Er hat den Leuten immer über die Schulter geschaut und sich gefragt, ob alles richtig läuft. Bis dann ein Produzent gesagt hat: Kannst du bitte weggehen? Deshalb hat Billy vorgeschlagen, alles alleine zu machen. Unser Manager war natürlich total begeistert, weil man so viel Geld sparen kann. (lacht)
Billy: Jaja, unser Manager ist immer begeistert von Ideen, wenn man etwas sparen kann. Rückblickend war es damals das Richtige, das Album alleine zu machen. Ich mochte an dem Prozess sehr, dass wir das nur zu dritt gemacht haben. Natürlich war aber auch sehr viel Druck dabei: Wir sorgten uns, waren gestresst und nervös und ein bisschen panisch. Als wir das Album dann endlich in unseren Händen hielten, dachten wir uns: Woah, krass, das haben wir alles alleine geschafft. Ohne Hilfe vom Label, von Produzenten oder anderen, das waren nur wir. Da sind wir schon sehr stolz drauf.
Charlotte: Ja, das stimmt.
Ihr hattet im Film «RocknRolla» einen Auftritt, in dem ihr euren Song «Rock & Roll Queen» live spieltet. Zwei Jahre zuvor wart ihr im ehmmm… wie heisst der Film auf Englisch? «Stirb langsam» heisst er in Deutsch… Mit dem Typen mit der Glatze?
Billy: Oh, «Die Hard»! (alle lachen)
Ja, genau!
Charlotte: Aber das heisst ja eigentlich «Die Slowly»…
Stimmt! Da wurde euer Song auch gespielt. In Werbungen und anderen Filmen und Serien und Games spielt man eure Lieder auch gern. Wusstet ihr, dass man den Song «Rock & Roll Queen» im Spiel Rocksmith 2014 nachspielen kann?
Charlotte: Nein, das wussten wir nicht.
Wie ist das so, eure Songs in Filmen und Games zu hören?
Charlotte: Es ist cool. Vor allem, weil wir nicht viel Spielzeit in Radios erhalten. Darum finden wir es toll, dass die Leute via Filme und Games unsere Songs hören können.
Billy: Ich finde es sehr spannend. Ich schaute «Stirb Langsam» im Kino und wusste nicht, wann der Song gespielt wird. Ich dachte, es wäre im Abspann. Aber der Song kommt in den ersten fünf Minuten! Dort, wo die Tochter des Glatzkopfs im Auto ist und mit einem Typ rumknutscht. Unser Lied wird während dieser Szene im Autoradio gespielt. Ich war so glücklich, dass mein Popcorn überall hinflog. Als wir dann zur Premiere von «RocknRolla» gingen, rannte ich fast über den roten Teppich, weil ich so nervös war. Charlotte stand aber schön vor die Kameras und liess sich ablichten. Wo warst du da eigentlich, Josh?
Josh: Mir hat wahrscheinlich niemand was davon erzählt. Oder unser Manager fand, mein Bart wäre zu lang (lacht).
Billy: Haha, ja, vielleicht! Es ist so: Ich habe ein riesiges Impostor-Syndrom. Das heisst, ich fühle mich oft so, als ob ich nichts wert wäre oder so etwas Tolles nicht verdient hätte. Als wir dann bei der Premiere über den roten Teppich liefen, wollte ich eigentlich nur noch weg. Also rannte ich in den nächsten Raum. Das gute war, dass wir drinnen die Leute kennenlernten und ich gemerkt habe, dass das eigentlich ganz nette Leute sind. Da habe ich mich auch wieder etwas beruhigt. Und es gab Popcorn! Was im Kino immer der beste Part ist! Ich erinnere mich, wie Guy Ritchie die Szene von unserer Show filmte: Das war in einem Lokal, in dem wir zuvor schon einige Male auftraten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns schon an die Kameras von Festivalkonzerten gewöhnt. Wir hatten darum keine grosse Mühe mit den ganzen Kameras vor Ort. Aber als wir dann im Kino sassen und uns selbst auf dem Bildschirm spielen sahen, umgeben von Leuten die wir jeweils auf dem Bildschirm schauspielern sehen, das war echt überwältigend. Irgendwie so, als ob man sich fragt, was in diesem Universum eigentlich alles abgeht.
Warum werdet ihr denn nicht oft in Radios gespielt?
Billy: Schwer zu sagen. Die Leute stehen auf Pop und Boybands, da passen wir nicht so rein. Es ist schon ein wenig paradox: Da spielen wir vor tausenden von Leuten an Festivals, und die Radiosender spielen unsere Lieder nicht. Das Gute daran ist: Wenn wir zum Beispiel irgendwo auswärts essen gehen, erkennt uns niemand! Wir geniessen das.
Glaubt ihr, euer Erfolg kam eher wegen der Auflistung in Hitparaden oder weil eure Songs oft in Filmen und Werbungen gespielt wurde?
Billy: Die Filme haben definitiv geholfen. Dass wir immer noch in den USA Auftritte haben, ist bestimmt in den «OC California»-Zeiten begründet. Wir sind einfach glücklich, dass es so ist, wie es ist.
Arbeitet ihr nebenbei noch oder ist die Band euer Fulltime-Job?
Billy: Die Band ist unser Fulltime-Job. Es ist echt verrückt. Das, was wir machen, zahlt die Rechnungen. Es ist ein Jugendtraum, der in Erfüllung ging. Wir wachen immer wieder an neuen Orten auf, schauen raus und fragen uns, wo wir uns gerade befinden. Das ist echt toll. Wir sind auch sehr gerne auf Tour, im Tourbus und zusammen unterwegs. Mit dem Publikum so direkt kommunizieren zu können und zusammen eine Party zu feiern ist klasse. Und die Party wird wegen uns gefeiert!
Charlotte: Wenn wir Zeit haben, schauen wir uns die Orte, wo wir spielen, auch an und versuchen, so viel wie möglich zu erkunden. Denn wer weiss, wo wir in den nächsten Jahren sein werden? Wir machen das Beste aus der Zeit, die wir haben.
Billy: Wir sind auch der Meinung, dass die Barriere zwischen Audienz und Band nicht mehr existieren sollte – egal, ob auf der Bühne oder in der Freizeit. Bei den Reisen lernen wir immer neue Leute aus der ganzen Welt kennen. Das finden wir super. Denn wir sind ja alle auch nur Menschen. Und ich finde, dass sich Künstler keinen Druck wegen dem eigenen Status machen sollte. Darum haben so viele Musiker psychische Probleme und nehmen Drogen: Die wollen alle nur einen Status erreichen. Ich bekam auch Depressionen, dann wurde ich Alkoholiker – ich neigte schon immer dazu, zu viel von allem zu machen. Noch immer bin ich eine Person mit Neigung zur Sucht, nur fand ich irgendwann die richtigen Dinge, von denen man süchtig sein kann. Wir möchten diese Idee von einem Fan und einem Rock-Gott nicht führen. Es gibt so viele Typen, die Komplexe haben und das Gefühl haben, sie müssen sich beweisen. Das sind dann die, die mit einer Lederjacke an einem scheisse heissen Tag herumlaufen, nur damit sie den Platzhirsch geben können. Ich wünsche mir dieser Bewegung den Tod (lacht). Sorry, ich spreche echt viel!
Josh: Kein Problem, wir geniessen das. Es ist alles gut, wir lieben dich!
Ich mag das, dass ihr euch als «normal» betrachtet.
Billy: Danke. Es gibt zu viele Bands, die wirklich stark versuchen, dass zwischen den Zuschauern und der Band möglichst viel separiert werden kann. Aber so funktioniert das nicht. Wir sind ja eigentlich auch nicht wirklich coole Leute: Wir lachen gerne auf der Bühne, sind gerne nett zu anderen und rauchen nicht. Wir möchten auch nicht, dass es heisst, Frauen sind Fans und Typen werden angehimmelt. Wir spielten grad letzte Woche an einem Festival, wo Charlotte als einzige Frau überhaupt auf der Hauptbühne spielte. Das sagt uns eigentlich nur: Männer spielen in Bands, Frauen nicht. Und leider gibt es zu viele Bands, die genau das mögen und wollen.
Das ist etwa so, wie jeder Interviewer die Frau in einer Band fragt: Wie ist es als Frau in einer Band zu spielen? Und genau darum frage ich euch beide, Billy und Josh: Wie ist es denn, als Typen in einer Rock’n’Roll Band zu spielen?
(Charlotte lacht)
Josh: Als ein Typ… ehm… ich glaube…
Billy: Josh ist aber kein richtiger Typ (lacht)
Josh: Genau, ich muss zuerst noch den Status des Menschen erreichen (lacht). Es ist so: Ich habe so viele Bands gesehen, in denen nur Männer spielen. Das ist einfach langweilig. Der weibliche Aspekt fehlt einfach. Als ich in Paris eine Band mit einer weiblichen Schlagzeugerin sah, war ich echt begeistert. Da fragte ich mich: Sollte ich überhaupt so aufgeregt sein? Sollte ich so glücklich darüber sein? Es ist einfach so unbekannt. Ich spiele in der Band, weil ich es liebe. Aber es fühlt sich als weisser Mann ein bisschen wie ein Klischee an.
Billy: Darum versuchen, wir bei Supportbands solche auszuwählen, denen wir eine Bühne bieten können. Zum Beispiel Bands mit dunkelhäutigen Frauen, die müssen viel härter arbeiten, um im Radio gespielt zu werden oder auftreten zu können. Wir möchten anderen Platz schaffen, die es verdienen, sich im Musikbusiness zu präsentieren. Ich kann diese Kämpfe nachvollziehen, da ich bisexuell bin. Ich bin es schon sehr lange, aber es war ein Kampf und eine Befreiung, damit öffentlich umgehen zu können. Ich wollte meine feminine Seite zeigen können. Das zu verstecken, hat mir psychisch sehr zugesetzt. Jetzt sind wir in einer Periode im Leben angekommen, in der es gut ist, wie es ist. Aber es ist immer noch schwer, Leuten aus der LGBTQ-Bewegung den Platz geben zu können, den sie verdienen. Alle haben das Recht dazu, auf der Bühne zu stehen und sich willkommen zu fühlen.
Ich finde es extrem mühsam, wenn Leute sagen: Sie hat das gut gemacht – für eine Frau… Das habe ich zuletzt nach einem Arch-Enemy-Konzert gehört, nachdem viele der Meinung waren, das Konzert war überanimiert. Da bin ich der Meinung, es ist geschlechterunabhängig, ob jemand eine gute Performance bietet oder nicht.
Billy: Da gebe ich dir völlig recht, Überanimation geht gar nicht. Als Künstler ist es aber manchmal schwierig: Wir sind oft nervös und dann ist die Interaktion mit den Zuschauern etwas, das uns hilft einzuschätzen, wie das Publikum unseren Auftritt findet. Wir interagieren gerne mit den Leuten, aber mögen es selbst nicht, wenn es zu viel wird. Anderseits ist es auch so, dass männliche Künstler sehr viele Chancen erhalten, während die Fähigkeiten einer Frau beiseitegeschoben werden. Ich bin der Meinung: Unabhängig von der persönlichen Wahrnehmung, wie man die Fähigkeiten einer Frau beurteilt, sollten sich Frauen auf der Bühne willkommener fühlen als jetzt. Das Geschlechterthema wird vor allem von Männern oft herablassend diskutiert und platziert Frauen in eine niedrigere Stufe. Wir sollten den Leuten ihr Können zuschreiben, geschlechterunabhängig. Wir sollten alle achtsam sein. Wir sind in einem Konstrukt mit einer bedrückenden Gesellschaft, wo Frauen nie gut genug sein werden. Männer werden das Business immer dominieren und autorisieren, was echt zum Kotzen ist. Ohje, und ich sage das als Mann, der diese Unterhaltung dominiert und als einziger spricht! Es tut mir leid! (lacht) Ich möchte einfach Charlotte wie auch andere Frauen unterstützen.
Wie fühlt es sich denn überhaupt an, gefragt zu werden, wie es ist, als Mann in der Band zu spielen?
Josh: Es wird als normal betrachtet, darum wird das nie gefragt. Als weisser Mann hat man es leider zu einfach in dieser Gesellschaft. Wenn jemand nicht versteht, dass nicht alle gleich privilegiert sind, läuft einfach etwas falsch. Vor allem weisse, alte Männer hören wir viel davon reden, dass es ja ganz einfach sei als schwarze Frau in der heutigen Gesellschaft. Aber dem ist leider nicht so. Die sollten einfach mal ein oder zwei Jahre in deren Haut leben. Es beschämt mich, dass manche so denken. Und dann sagen sie noch, dass sie die wahren Opfer sind. Das geht ja gar nicht!
Billy: Es ist ein kurzes Leben, das sollten wir geniessen. Aber alle zusammen.
Da komm ich auf ein Buch, das ich gerade gelesen habe: «Humans: A brief history of how we fucked it all up». Da wird auch oft erwähnt, dass die weissen Männer es oft verkackt haben. Es gibt wohl trotzdem einige andere Menschen, die das genauso sehen. Wir können nur hoffen, dass es mit der Zeit besser wird.
Billy: Ahhh, was für ein toller Name für ein Buch! Das sollte wohl jeder mal lesen, klingt spannend!
Josh: Ich bin optimistisch, dass unsere Generation die ganze Scheisse aufräumen kann. Sobald die älteren Leute, die so verbissen sind, nicht mehr leben, wird einfach kein Raum mehr sein für so etwas. Und dann kann die Zeit kommen, in der es bergauf geht.
Oh, ich merke gerade, dass wir bereits seit 50 Minuten sprechen! Ich hätte da aber noch eine Frage, falls ihr noch Zeit habt?
Billy: Kein Problem, ich quatsche hier ja alle voll, das tut mir echt leid! Stell uns nur deine Fragen, wir haben Zeit. Ich hoffe, Charlotte und Josh sind noch nicht gelangweilt.
Also: Vor einigen Tagen spielten Testament im Z7 in Basel – da habt ihr auch schon mal gespielt. Es ist eine tolle Location, wo das Publikum und die Band sehr nahe beieinander sind. Auf jedenfall meinte Chuck Billy dann, dass Testament zwar auf Festivaltour sind, aber gerne hier einen Stopp einplanten, weil sie viel lieber in Lokalen wie dem Z7 spielen als an Festivals. Die Distanz zum Publikum sei bei Konzertlokalen einfach viel weniger. Ihr seid ja sehr publikumsnah, spielt aber trotzdem lieber auf Festivals – wieso das?
Billy: Das ist etwas, das wir oft zusammen diskutieren. Wir mögen Clubshows schon und man gewöhnt sich irgendwie an die Distanz bei Festivals. Am Anfang fand ich es schrecklich. Es dauerte Jahre, bis ich mich an diese Distanz gewöhnen konnte. Aber Festivals sind halt aussergewöhnlich, du kannst voll aufdrehen und fühlst dich willkommen. Vor allem in Europa ist es toll, man lernt immer neue Leute kennen. Nur schon der Duft in der Luft, es riecht nach BBQ, Natur, Kühe – meine Lieblingstiere, die sind echt wahnsinnig toll. Tiere im Allgemeinen, sie wollen nur geliebt werden. Wir haben zu Hause zwei Hunde, die früher geschlagen wurden und sehr ängstlich sind. Aber wenn man nach Hause kommt, warten sie und wollen nur kuscheln. Aber zurück zu den Festivals: Man findet sich selbst in einer Umgebung wieder, die immer wieder anders ist. Täglich wird uns bewusst, was für ein Glück wir eigentlich haben, so unterwegs sein zu können. Auf der Bühne verliert man sich selbst, im Rhythmus, in der Melodie. Wenn man das realisiert, kann die Distanz zum Publikum überbrückt werden. Man sieht die weissen Zähne, der Schweiss auf den Körpern, wie sie feiern und wie das Bühnenlicht auf das Gesicht scheint. Clubshows, Bühnenshows, Festivalshows – es sind alle toll, denn es geht nur um die Musik, that’s it. Und man hat quasi eine Lizenz um durchzudrehen, laut zu schreien – manchmal bin ich mitten auf der Strasse und habe das Bedürfnis zu schreien (lacht) – das ist echt toll. Und dann nach der Show ist es irgendwie schräg, wenn alles fertig ist. Man kommt von der Bühne runter und denkt sich: Was mach ich jetzt? Eigentlich könnte ich gerade nochmal auf die Bühne gehen. Dann aber merkt man, wie die Muskeln sich wieder etwas entspannen und man realisiert: Das kann ich morgen nochmals tun. Grossartig!
Seid ihr vor euren Shows jeweils nervös?
Billy: Ja, schon. Eigentlich jedes Mal.
Also, so richtig, richtig nervös?
Charlotte: Es ist mehr die Vorfreude, die man hat. Manchmal sind wir nervös und manchmal ist es die Aufregung oder eben eher die Vorfreude.
Billy: Vorfreude ist ein sehr passendes Wort, das gefällt mir. Man denkt voraus zur Show, wie es sein wird.
Josh: Wenn wir nervös sind, heisst das eigentlich, dass wir uns zu wenig vorbereitet haben…
Charlotte: Nervös ist man, wenn man besorgt ist, dass es nicht funktioniert. Aber die Vorfreude ist eher positiven gemeint.
(Anmerkung: Ab hier haben sich alle nur noch schlappgelacht)
Josh: Vielleicht sind wir die Art von nervös, dass wir hoffen, nicht auf der Bühne umzufallen.
Billy: Ja, stimmt. Ich meine, ich bin manchmal schon ein wenig ein Dummkopf, oder der Clown auf der Bühne.
Josh: Auf der einen Tour bist du ständig hingefallen. Jedes Mal!
Billy: Einmal spielten wir in einem seeehr heissen Konzertlokal und ich hab mich total vollgeschwitzt. Irgendwann haben die Leute etwas komisch geguckt, und ich fragte mich, was los ist. Bis ich zu Charlotte rüber schaute und sah, dass sie auf meiner Schweiss-Pfütze umgefallen ist.
Billy (nach einer Verschnaufpause): Entschuldige bitte, wenn das ein irgendwie schräges interview ist. Wir sind eigentlich wirklich einfach nur gern auf der Bühne und spielen gern unsere Musik. Das ist das wichtigste für uns.
Was für ein herrlicher Abschluss, herzlichen Dank!
Billy: Sorry, dass wir so viel geredet haben. (lacht)
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