PETER GABRIEL Live Blood

PETER GABRIEL
Live Blood
Eagle Rock Entertainment

pc. Mit Live-Alben ist es so eine Sache. Vielfach machen die Musiker Kompromisse. Sie zwängen ein zweieinhalbstündiges Konzert auf eine einzige CD. Es wird gekürzt, geschnitten, Ansagen zwischen den einzelnen Songs werden weggelassen. Nun ist ein Musiker wie Peter Gabriel, der auf eine 40jährige Karriere zurückblicken kann, in der komfortablen Lage, dass er keine Abstriche machen muss. Null. Live Blood ist eine Live-CD ohne Wenn und Aber. Der Titel ist eine Anspielung auf Peter Gabriels Album New Blood, bei dem er die wichtige Songs seiner Laufbahn mit klassischem Orchester umgesetzt hat. Und nun halten zwei CDs ein Konzert aus London mit 22 Songs fest, inklusive Ansagen und Anekdoten des Musikers, die das Publikum regelmässig mit Zwischenapplaus honoriert. Und natürlich wird Gabriel auch hier von einem kompletten Orchester getragen. Die gewohnten Instrumente der Rockmusik wie E-Gitarre oder Schlagzeug fehlen gänzlich. Nach dem collagenhaften Opener „Intruder“ kündigt Peter Gabriel an, dass nun eine Sammlung aus alten und neuen Songs folgen würde. Das eigentliche Konzert beginnt mit „Wallflowers“, einem Song aus dem Jahre 1982, der sich um die unwürdige Behandlung von Gefangenen in Lateinamerika dreht. Die Aufnahmen auf „Live Blood“ sind packend und jagen einem immer wieder einen Schauer ein. Vor allem in den bombastisch arrangierten Momenten wie in „Après Moi“, „Darkness“ oder bei filigranen Songs wie „The Book Of Love“. Besonders spannend ist die Umsetzung von Songs, die im Original eigentlich von einem prägnanten Rhythmus getrieben sind. Doch auch in diesen Songs, z.B. „Diggin‘ in the Dirt“ oder „Solsbury Hill“ gelingt es dem Orchester und den Backgroundsänger/innen rund um Peter Gabriel, die nötigen perkussiven Akzente zu setzen. Die Musik ist varianten- und facettenreich arrangiert, und immer wieder übernimmt ein neues Instrument die musikalische Führung (z.B. in „Mercy Street“), teilweise bewegen sich die Arrangements auch in Richtung World Music („The Rhythm Of The Heart“), in denen Peter Gabriel auch längst schon zu Hause ist. Und manchmal scheint Peter Gabriel seine Musik originalgetreu umzusetzen, wie in „Don’t Give Up“, um dann am Ende des Songs für eine musikalische oder rhythmische Überraschung zu sorgen. Nicht umsonst hört man Peter Gabriel sich mehrfach während des Konzertes beim Orchester, sowie bei einzelnen Musikerinnen oder Musikern zu bedanken, die diesen Songs etwas Einmaliges verleihen.

Hanns
About Hanns Hanneken 528 Articles
Hanns, der Gründer von TRACKS, ist der CH-Musikszene seit den 80er-Jahren als Produzent, Musiker und Redaktor eng verbunden. Er war jahrelang Chefredaktor des Schweizer Musikmagazins MUSIC SCENE, des deutschen Magazins MUSIK SZENE und arbeitete für u. a. MUSIK EXPRESS, METAL HAMMER.