KROKUS Long Stick Goes Boom –Live-

KROKUS Long Stick Goes Boom –Live-

KROKUS

Long Stick Goes Boom –Live-

Sony

 

hh. Je oller, je doller – das muss man dem Solothurner Hardrock-Schlachtschiff ohne wenn und aber bescheinigen. Im 39. Jahr des Bestehens und auch wenn einige Bandmitglieder langsam das Rentenalter erreichen, Krokus rockt – laut, hart, dreckig und tatsächlich so gut wie nie zuvor. Zumindest auf Konserve und an den bisherigen Live-Alben gemessen. „Long Stick Goes Boom“ ist nach den beiden letzten Studioalben ein weiterer Beweis dafür, dass es in der Schweiz immer noch keine andere Rockband gibt, die den Solothurnern auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Wo sich beispielsweise Gotthard langsam aber sicher immer stärker aufmachen, Pop- statt Rockfans zu begeistern, kennen Krokus keine Gnade. Hier wird nicht rumgezickt oder auf Radiospielzeiten spekuliert (was bei Live-Platten ohnehin schwer bis unmöglich ist), hier gibt es keine seichten Balladen-Duette, hier gibt es die volle Dröhnung, Rock pur – immer mitten in die Fresse! Es ist schlichtweg bewundernswert, wie die alten Herren (mal die beiden „Nesthäkchen“ Mandy Meyer und Flavio Mezzodi ausgenommen) mit geballter Energie und Kampfgeist abrocken wie Jungspunde. „Long Stick Goes Boom“ ist eine repräsentative Mischung aus alten und neuen Krokus-Songs, wobei hier deutlich klar wird, wie gut sich die neuen Songs in die Riege der Klassiker einreihen. Da gibt es keinen Qualitätsabfall, Songs wie „Go Baby Go“, „Dög Song“ oder „Hoodoo Woman“ stehen absolut gleichberechtigt neben alten Gassenhauern wie „Bedside Radio“ , „Heatstrokes“ oder „Easy Rocker“  – ein Beweis für die ungebrochene bzw. wiederentdeckte Klasse im Songwriting.

Nun gut, mag sich mancher fragen, weshalb soll ich mir diese Platte kaufen? Ich habe bereits den ganzen Krokus-Katalog und auch die Live-Platten. Und nur wegen der paar neuen Songs im Live-Format muss ich nicht das ganze Album haben. Wir sagen: Ganz falsch!!! Diese Platte muss man als Krokus-und Rockfan haben, denn sie ist 1.) unbestreitbar das beste Live-Album der Band soweit und 2.) eins der besten Krokus-Alben überhaupt. Die Band spielt dermassen dicht und groovend zusammen, wie eigentlich noch nie zuvor – noch nicht mal zu ihren erfolgreichsten Zeiten. Es gibt keine Ermüdungserscheinungen, im Gegenteil – alle Musiker rocken als wären sie gerade mit Raketen im Arsch aus dem Jungbrunnen geschossen worden. Selbst die inzwischen totgespielten Dauerbrenner wie „Long Stick Goes Boom“ oder „Bedside Radio“ erklingen wie mit einer Frischzellenkur aufgepeppt. Dabei macht Drummer-Neuzugang Mezzodi einen hervorragenden Eindruck. Kam er in den ersten Konzerten nach seinem Einstieg bei Krokus noch etwas gehemmt und mit gebremstem Schaum daher, hat er inzwischen die Zurückhaltung abgelegt und hämmert die Nägel in perfekt abgestimmter Zusammenarbeit mit Bassist Chris von Rohr in die Hardrockbohlen. Mandy Meyer’s Rückkehr ist ein weiterer Glücksfall für die Band, er bringt hörbar neue Facetten in den Sound und sorgt zusammen mit Fernando von Arb und Mark Kohler für eine massive, bestens aufeinander abgestimmte Gitarrenwand – hier wird nicht einfach nur drauflos gebrettert und zugekleistert, sondern die drei Gitarristen bewegen sich mit Herz, Können und vor allem mit Köpfchen durch die Arrangements. Die in unzähligen Konzerten angeeignete Routine wird gekonnt und beeindruckend ohne jegliche Abnutzungserscheinungen in den Ring geworfen. Marc Storace ist auch im Alter aller bestens bei Stimme und beweist hier einmal mehr, dass er die gesanglichen Leistungen der Studio-Aufnahmen immer noch problemlos live rekapituliert. Fazit: „Long Stick Goes Boom“ reiht sich nahtlos in die besten Veröffentlichungen der Solothurner Rocker ein, ist quasi ein „Best Of“ allererster Güte in  fettem Sound. Die Platte muss man definitiv haben – sie ist eine Visitenkarte der allzeit besten und erfolgreichsten Schweizer Rockband im Platinformat. Respekt und Hochachtung vor dieser Leistung!

Hanns
About Hanns Hanneken 528 Articles
Hanns, der Gründer von TRACKS, ist der CH-Musikszene seit den 80er-Jahren als Produzent, Musiker und Redaktor eng verbunden. Er war jahrelang Chefredaktor des Schweizer Musikmagazins MUSIC SCENE, des deutschen Magazins MUSIK SZENE und arbeitete für u. a. MUSIK EXPRESS, METAL HAMMER.