IRON MAIDEN
Senjutsu
Parlophone/Warner
lg/mv. Lange und erfolgreich wurde unter Verschluss gehalten, dass Iron Maiden dieses Jahr ihr 17. Studioalbum mit dem Titel „Senjutsu“ veröffentlichen werden. Der Titel des bereits anfangs 2019 während einer Tour-Pause und wie seinerzeit „Book Of Souls“ in Paris in einem ehemaligen Kino unter der Leitung des langjährigen Hausproduzenten Kevin Shirley (mit Steve Harris als Co-Producer) aufgenommene Album kommt aus dem Japanischen und bedeutet frei übersetzt Taktik und Strategie. Die Verzögerungen haben sich aufgrund der bekannten Umstände ergeben – doch so konnten sich Iron Maiden auch Zeit lassen, ein sehr hochwertiges Package zusammenzuzimmern. Die Produktion von Kevin Shirley – in der Vergangenheit wiederholt zu Recht immer wieder kritisiert – ist dieses Mal sehr gut und kraftvoll geworden. Ein kleiner Wermutstropfen ist das Coverartwork, welches wie bereits beim Vorgängeralbum recht simpel und für Maiden-Verhältnisse nicht gerade spektakulär geraten ist – Mark Wilkinson kann den Glanztaten von Derek Riggs aus den 80er Jahren zu keiner Zeit das Wasser reichen. Doch kommen wir nun zu den satten 82 Minuten Musik auf „Senjutsu“, welche ebenfalls stark von „Taktik und Strategie“ geprägt sind. Der gelungene und überraschend harte Opener und Titeltrack ist in getragenem Tempo gehalten und besticht durch die düstere (teil orientalisch angehauchte) Grundstimmung, dem grossartigen Chorus und den Tribal-artigen Drums von Nicko. Weiter geht es mit der zweiten Single „Stratego“, einem flotten und sehr typischen Maiden-Song mit galoppierenden Gitarren, welcher auch auf den letzten Alben hätte stehen können. Das nachfolgende und ebenfalls vorab als erste Single ausgekoppelte “The Writing On The Wall“ aus der Feder von Adrian Smith und Bruce Dickinson ist der Classic Rock-Track des Albums – mit einer tollen Gesangleistung von Bruce Dickinson. Die Nummer ist für Maiden-Verhältnisse eine echte Überraschung und erinnert teilweise gar etwas an Molly Hatchet. „Lost In A Lost World“, komponiert von Steven Harris, beginnt ruhig und geht in einen komplexen und gar mystischen Song über, der trotz den maidenesken Zwischenparts nie nervt und als eines der grossen Highlights des gesamten Albums durchgeht. Das kurze und prägnante „Days Of Future Past“ beginnt mit einem sehr coolen Riff und ist sodann ein gewohnt flotter Maiden Song und könnte wohl auch noch als Single ausgekoppelt werden. Auf jeden Fall wird das ein idealer Song sein zum Fäuste recken an den kommenden Live-Shows. Das bärenstarke „The Time Machine“, eine Zusammenarbeit von Janick Gers und Steve Harris, beginnt ruhig und geht dann in einen mächtigen Song mit Langzeitwirkung über. Das ruhigere „Darkest Hour“ beginnt balladesk, bleibt getragen im Tempo und ruhig im Unterton, wird aber intensiver und lebt von phantastischen Soli sowie einem überragenden Bruce Dickinson am Gesang. Der Song könnte gut auch auf einem Bruce Dickinson-Soloalbum stehen und ist die erste richtige Ballade von Maiden seit „Wasting Love“, (von „Fear Of The Dark“). Die letzten gut 30 Minuten des Albums bestehen aus drei Steve Harris-Epen, welche alle die 10-Minuten Marke übertreffen: „Death Of The Celts“, „The Parchment“ und „Hell On Earth“. Der erste Song – „Death Of The Celts“ – überzeugt mit einer grossartigen Epik, hätte aber etwas kürzer ausfallen können und klingt musikalisch fast wie eine Fortsetzung von „Sign Of The Cross“, aus der Blaze Bayley-Phase der 90er Jahre. „The Parchement“ legt mit einem Bass-Riff los, welches das Fundament des sich lange aufbauenden, teils orientalisch geprägten Songs darstellt. Hier endet der Song anders als er beginnt, was für Maiden-Verhältnisse atypisch ist. Schliesslich kulminiert das Album in das Finale mit „Hell On Earth“, das mit den üblichen Maiden-Trademarks daherkommt, dennoch unverbraucht klingt und zu einem Album-Höhepunkt avanciert. Im Fazit kann „Senjutsu“ als sehr ambitioniertes, teilweise überraschendes und gelungenes Spätwerk einer der grössten Metal-Bands aller Zeiten bezeichnet werden und knüpft von der Grundstimmung an „A Matter Of Life And Death“ aus dem Jahre 2006 an. „Senjutsu“ ist aber kein Album, welches nebenher gehört werden kann, sondern es verlangt dem Hörer alles ab – belohnt diesen aber für seine Geduld und Beharrlichkeit. Absolut grossartig und ein Geschenk für die Legionen an Maiden-Fans weltweit. Für das kommende Jahr sind zahlreiche Konzerttermine bereits bekanntgegeben worden – die Essenz von Iron Maiden lässt sich bekanntermassen Live am besten erfassen. Up The Irons!
Laurent Giovanoli/Michael Vaucher
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