Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #46 – Go Ed

Go
Ed

Ed Sheeran da, Ed Sheeran dort, Ed Sheeran auf allen Kanälen! Und man weiss nicht so genau, was man damit anfangen soll. Einserseits kann man sich seinem Kuschelbär-Charme nicht wirklich entziehen, zumal Sänger wie er in seiner Gesamterscheinung wesentlich angenehmer sind als, sagen wir, Cardi B mit diesem lächerlichen «Press»-Video. Anderseits liegt zurzeit die totale Ed-Sheeran-Überdosis im Bereich des Möglichen. Und zwischendrin weiss man nicht so genau, was das Ganze soll, das er da grad tut.

Nun denn: Ed Sheeran hat ein neues Album raus, es heisst «No. 6 Collaborations Project», enthält 15 Songs, insgesamt wirken 22 Gastmusiker und -innen mit (inklusive Cardi B), und entsprechend der Gastig grenzt die Bandbreite der Stile an Beliebigkeit: Rap mit Eminem und 50 Cent, Rock mit Chris Stapleton und Bruno Mars (Mars? Rock?), Pop mit H.E.R. und so weiter. Das ist ja einerseits gut. Offiziell sagt Sheeran, dass er sich überhaupt nicht um Grenzen von Musikgenres kümmere. Grundsätzlich finden wir das ja eine gute Idee.

Anderseits war ich gestern im Kino und hab mir «Yesterday» angesehen, den neuen Film von Danny Boyle, in dem sich nach einem unerklärlichen Stromausfall einzig der erfolglose Sänger Jack Malik (Himesh Patel) an die Beatles erinnern kann, von Ed Sheeran (dem echten) auf Tournee eingeladen wird und schnell berühmter wird, als ihm, dem Newcomer, lieb ist. Toller Streifen, sollte man gesehen haben.

Im Film spielt die grossartige Kate McKinnon Ed Sheerans Managerin: eine abgebrühte, zynische amerikanische Dampfwalze, die weiss, wie man Loser zu Rockstars macht. Mach das, sagt sie, mach dies – und es klappt. Im Film jedenfalls.

Womit wir wieder bei «No. 6 Collaborations Project» wären: Man kann sich nur zu gut vorstellen, dass Sheerans Management ihm dieses Projekt genau so empfohlen hat: Mach mal ein Kindervideo mit Justin Bieber! Mach mal einen Club-Track mit Khalid. Mach dies mit diesem und das mit jenem. Und am Ende haben wir 15 Songs über die gesamte Stilpalette, sodass garantiert jeweils einer in die jeweils wichtigste Genre-Playlist von Spotify reinpasst. Und zack – haben wir Millionen neuer Ed-Sheeran-Hörer. Cleverer Schachzug.

Und irgendwann fragt man sich dann: Wo ist die Essenz von Ed Sheeran in all diesen unterschiedlichen Songs? Wurde sie wegproduziert? Schön möglich, weil: Im Film «Yesterday» sagt mal einer zu Jack Malik ganz ironiefrei: «Heute feilen 16 Produzenten an einem einzigen Song – und du machst das alles allein?» Das ist ja heute Standard, also dass ganz viele Leute an Songs von Stars rumfeilen, damit ja nichts schiefgeht. Gut möglich, dass das auch bei «No. 6 Collaborations Project» der Fall war. Weil alles so klinisch astrein klingt und dann eben die Frage aufkommt: Wo ist eigentlich Ed Sheeran? Was ich meine, ist: Eine Musikerin wie Madonna hat zwar schon immer viele Leute in die Produktion ihrer Lieder miteingezogen, aber immer war ganz klar sie die alleinige Leaderin, und das hat man dann eben auch in ihren Alben gehört, egal, wie gross die Stilbandbreite war (und bei «Madame X» ist).

Dann aber wieder umgekehrt: Ed Sheeran hat immer schon gerne in Kollaboration mit anderen Musikern gespielt. Drum ist das neue Kollaborations-Album ja auch sein sechstes.
Am Ende weiss ich auch nicht weiter. Man müsste den Ed mal selber fragen. Aber der würde bloss irgendwas Nettes sagen. Zum Beispiel, dass er jetzt Werbung für Heinz-Ketchup macht.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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