Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #38 – Sex-Chat mit Heidi

«Ich bin jung, ich bin wild, ich bin ungebunden und suche unverbindlichen Spass.» Das ist nicht etwa ein Songtext von irgend einem upcoming Singsangstar, sondern eine Spam von einer gewissen Heidi im Bikini, die sich auf einen heissen Sex-Chat mit mir freut. Zwar schaut Heidi auf dem mitgespamten Foto ganz neckisch und erwartungsfroh in die Kamera, aber Sex-Chats sind nicht so mein Ding, ich bin mehr der Mann der Tat.

Trotzdem hat mir Heidis Nachricht einen Umstand klargemacht, der mir seit einiger Zeit immer wieder mal aufgefallen war, über den ich aber nie ernsthaft nachgedacht hatte. Dass nämlich singende Teenager und Twenty-Somethings ihre eigene Jugend besingen, und zwar buchstäblich in den höchsten Tönen. Damit meine ich nicht Songs über die Qualen pubertierender Teenager beim Erwachsenwerden, das war schon immer eine tragende Säule des Pop. Ich rede von Teenagern, die Songzeilen singen im Sinne von «Ich bin jung, ich bin wild, ich bin ungebunden und suche unverbindlichen Spass.»

Ich weiss nicht, wie Sie das in Ihrer Jugend wahrgenommen haben, aber ich war in meiner Teenagerzeit viel zu sehr mit meinen überschäumenden Hormonen beschäftigt, als dass ich auch noch mein eigenes Jung-Sein hätte zelebrieren können. Weil ich warja jung. Ich konnte mir nicht die leiseste Vorstellung davon machen, wie es dereinst sein würde, nicht mehr jung zu sein. Denn Zustände definieren sich wie überhaupt alles im Leben immer im Vergleich zu etwas anderem, darum konnte ich mein Jung-Sein nicht verstehen, weil ich ja nicht wusste, was Alt-Sein bedeutet. Songs wie «Father And Son» von Cat Stevens habe ich damals nicht verstanden, und DAF meinten etwas anders als Nabelschau, als sie «Verschwende deine Jugend» sangen. Beides übrigens bis heute grossartige Songs.

Wenn heutige Teenstars Wert auf ihre eigene Jugend legen und diese zelebrieren, was will uns das also bedeuten? Dass die Bauchnabelbetrachtung wichtiger geworden ist als Rundschau? Ist es ein Zeichen galoppierender Überheblichkeit? Oder ist das eine Vorauskapitulation, dass die Jungen nicht mehr feiern werden, wenn sie irgendwann nicht mehr jung sein werden? Das wäre ja schön blöd. Auf alle Fälle bereitet mir diese Häufung von Liedern, in denen Jugendliche ihre eigene Jugend zelebrieren, ziemlich Sorgen.

Ach ja: Wenn Sie an meiner Statt mit Heidi einen Sex-Chat starten möchten, gehen Sie auf www dot heidi dot sexchat4u dot host. Wenn Sie sich dabei einen Virus einfangen, sind Sie allerdings selber schuld.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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