Hugs Wegweiser durch die Populär-Galaxie: #34 – Eine Art Seifenoper

Eine Art
Seifenoper

Es ist lange her, aber als Lee Dorrian noch bei Napalm Death sang und seine Band mit Entombed auf Tournee war, hat er mir erzählt, dass das T-Shirt von Entombed-Sänger Lars Göran so schrecklich stinke, weil er es schon die ganze Tour über an jedem Konzert trage. Dorrian hat dann kurz darauf Napalm Death verlassen, aber ich glaube, das hatte nichts mit dem T-Shirt zu tun. Irgendwie war der gute Göran wohl der Ansicht, dass Rock’n’Roll Schweiss bedeutet und ergo stinken muss. Im Sinne von: Sex duftet, Drugs riechen, und drum muss der Rock’n’Roll eben stinken. Vielleicht hat unser Freund mit dem Kopftuch das gemeint, als er «Meh Dräck» gesungen hat.

Auf alle Fälle hat sich der Schweiss-Mythos bis heute gehalten. Denn letzthin war ich am Konzert der Black Label Society im Z7, und dort stand ein Roadie am Merchandising-Stand, der hat dermassen nach altem Schweiss gestunken, dass ums Verrecken niemand einen BLS-Hoodie bei ihm kaufen wollte. Ich meine, mit erhobenen Armen könnte der Typ echt als Pestizid durch ein Maisfeld laufen. Das überlebt nicht mal die Beyoncé-Pferdebremse Scaptia Plinthina beyonceae.

Ich musste mich ebenfalls vom Roadie distanzieren, damit ich das Konzert unbenebelt mitbekam. Und das war gut, richtig gut: Zakk Wylde hat seine Gitarre gerockt, dass es von den Balken tropfte. Einmal stand er sogar auf der Bar und spielte ein herrliches Solo. Das war so grandios, dass Dutzende von Fans ihre Handys zückten und den Zakk beim Zucken filmten.
Oh, dachte ich mir, das selbstgemachte Youtube-Filmli ist nun auch bei der Metalgemeinde angekommen… Und ich wusste gar nicht, ob das nun die gute Nachricht war. Da wurde mir klar, dass Handy-Filmli an Konzerten scheisse sind. Warum? Weil ich am Tag zuvor an der Swiss Rockabilly Night im nidwaldnerischen Beckenried war, auch das eine grossartige Veranstaltung. The Five spielten so geil wie noch nie, Johnny Horsepower huldigten Johnny Cash, und Sugar Daddy and the Cereal Killers gaben lustvoll den Louis Prima. Die Jungs im Publikum trugen Schmalztolle und die Mädels Pettycoats, es war eine Augenweide. Und das Schönste war: Niemand hat sein Handy in die Höhe gehalten. Niemand. Gut, man könnte jetzt das Scherzli zum Besten geben, dass Rockabillys sowieso Rednecks sind und immer noch mit Yoghurtbechern und Hanfschnur telefonieren. Aber das stimmt nicht. Heute hat jeder ein Smartphone, sogar meine Mutter. Trotzdem hat an der Swiss Rockabilly Night niemand gefilmt. Weil sich alle auf die Musik konzentrierten und die Musik genossen – was wiederum die Musiker sehr schätzten. Das hat mir jedenfalls The-Five-Drummer Angelo Bossi nach seinem Konzert gesagt. Es war ein schöner Abend, wirklich. Ach ja: Und es hat niemand nach altem Schweiss gerochen.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Christian
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Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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