Wir brauchen
klare Filter
Überheblich? Nostalgisch? Ja! Aber: Früher waren die Verhältnisse besser. Früher gab es mehr gute Musik. Natürlich war der Anteil schlechter Platten schon vor zwanzig Jahren höher als derjenige der guten. Im Rock- und Metal-Bereich waren vielleicht drei von zehn Alben ganz okay und zwei weitere herausragend. Ungefähr dasselbe galt für Hip-Hop- und Elektroscheiben, wobei diese damals noch vom Bonus des relativ Neuen und Frischen profitierten. In der schönen bunten Welt des Pop war vielleicht einer von zehn Songs toll und einer von zwanzig war der Hammer. Der ganze Rest war zwar gut gemeint, aber nutzlos. Schöne Zeiten waren das, vor allem, weil sich Kleinlabels wie Earache, Mokum, !K7, Glitterhouse, SubPop, Hollywood oder Echobeach mit spezialisierten Angeboten zu verlässlichen Qualitätsmarken hocharbeiteten. Das Wühlen durch das Angebot war für den Musikfreund in einem überaus guten Aufwand-Nutzen-Verhältnis.
Heute haben wir Internet. Hier kann jeder mitmachen. Ein bisschen Gitarre umschnallen, ein bisschen trällern – fertig. Dank Computerkamera und Youtube muss man seine Songs nicht mal mehr im Studio aufnehmen, obwohl auch das mittlerweile kaum noch was kostet, und die Idee eines vollständigen Albums als Zeitdokument einer Band geht flöten.
Das führt zur hinreichend bekannten Folge, dass wir nicht bloss überschwemmt, sondern geradezu sturmgeflutet werden mit Musik. Aber von all diesem Singsang ist der grosse Grossteil schlicht und einfach Mist. Sorry für diesen Ausdruck, aber ich kann das beim besten Willen nicht freundlicher formulieren. Das meiste raubt meine Zeit und beleidigt meine Intelligenz. Wir haben jetzt zwar Zugang zu viel mehr Musik, aber der Anteil der herausragenden Werke ist im Vergleich zu früher drastisch kleiner geworden. Von hundert Popsongs ist vielleicht noch einer wirklich klasse. Wühlen im Angebot ist heute gleichbedeutend mit einem katastrophalen Aufwand-Nutzen-Verhältnis.
Das führt seit Jahren zu einem verhängnisvollen Teufelskreis: Weil wir Internet haben, sind die Plattenlabels panisch verzweifelt. Weil die Plattenlabels panisch verzweifelt sind, ist das Publikum heillos verwirrt. Und weil das Publikum heillos verwirrt ist, sucht es Trost im Internet. Worauf der Kreislauf von neuem beginnt.
Wir erkennen also: Wir brauchen dringend Filter. Wir brauchen Instanzen, die das Angebot an Musik streamen und checken und die Rosinen herauspicken und uns diese dann aufbereiten und empfehlen mit der verlässlichen Zusage, dass wir auf den ganzen Rest getrost verzichten können. Wir brauchen wieder Labels, die für eine klare Linie stehen. Gerne lasse ich mich auch im Internet beraten.
Im Übrigen sind wir zwar voller Mitgefühl für den Herrn mit der Brille, weil er mit dem Velo fürchterlich auf den Latz gefallen ist, wir bleiben aber bei der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.
Tracks 1 15 (Januar/Februar 2015)
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