GOTTHARD “Firebirth”

GOTTHARD
Firebirth
G Records/MV

hh. Mit der Powerballade „Remember It’s Me“ gab der neue Frontmann Nic Maeder bereits einen gelungenen Einstand bei den Tessiner Rockern. Der Song weckte allerdings auch gleich Befürchtungen bei Fans der frühen Gotthard, dass der vor Jahren eingeschlagene Weg hin zum Kuschelrock auch nach dem Tod von Steve Lee konsequent weiter verfolgt werden würde und die einstmals kraftvollen Hardrocker immer mehr zur Lieblingsband aller Nagelstudiobesitzerinnen und alleinerziehenden Mütter über 40 mutieren würde (siehe Bon Jovi). „Firebirth“ lässt das erleichterte Aufatmen der Rockfans wie ein Föhnsturm über die Alpen wehen, mit Nic Maeder haben sich Gotthard eine satte Frischzellenkur in Sachen Härte verpasst. Ohne das grandiose Vermächtnis von Steve Lee schmälern zu wollen (er war und bleibt eine der besten Rockstimmen des Planeten), haben sich die verbliebenen Vier mit ihrem neuen Fronter auf alte Tugenden besonnen und rocken auf „Firebirth“ unerwartet heftig. Klar sind auch ein paar Balladen dabei, man will ja schliesslich nicht alle Fans verschrecken, die auf sanftere Klänge stehen. Und weil Gotthard schon immer, wie auch jetzt, hohe Qualität in den ruhigeren Momenten boten, ist das auch durchaus legitim. Was jedoch für grosse Freude bei den Rockfans sorgt, sind die reichlich vertretenen Kracher auf diesem Album. Weniger (Weichspül-)Keyboards, dafür entschlackte Brett-Gitarren auf amtlich vorwärtstreibendem Rhythmusteppich mit straightem, auf den Punkt hämmerndem Schlagzeug und groovendem Bass. Auch wenn „Firebirth“ eine Rückbesinnung auf alte Rock-Tugenden ist, machen Gotthard nicht den Fehler, sich selbst zu kopieren. Das Album ist zwar ein Classic-Rock-Album im traditionellen Sinn, von „alt-„ oder „hausbacken“ jedoch keine Spur. Der Sound ist transparent und modern, „best of both worlds“ sozusagen, und es gibt wirklich eine ganze Reihe hervorragender Songs, mit denen Gotthard bei den Freunden melodiöser Härte mächtig punkten werden und verlorenes Terrain wiedererobern. Nic Maeder ist ein jeder Beziehung ein Glücksgriff. Er hat die Qualität, das Erbe seines Vorgängers würde- und respektvoll zu verwalten, ohne zu kopieren. Maeder injiziert dem Werk hörbar seine eigene Persönlichkeit und versteht es, die Songs mit schönen und gefühlvollen Gesangsmelodien zu veredeln und auch als Shouter voll und ganz zu überzeugen. Fazit: Gotthard ist mit diesem Album ein mehr als überzeugendes „Comeback“ gelungen. So frisch, druckvoll und vor Energie strotzend haben sie sich seit sehr langer Zeit nicht mehr präsentiert. „Firebirth“ ist etwas vom Besten, was man heutzutage in Sachen melodiöser Classicrock erwerben kann. Glückwunsch und Respekt!

Hanns
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Hanns, der Gründer von TRACKS, ist der CH-Musikszene seit den 80er-Jahren als Produzent, Musiker und Redaktor eng verbunden. Er war jahrelang Chefredaktor des Schweizer Musikmagazins MUSIC SCENE, des deutschen Magazins MUSIK SZENE und arbeitete für u. a. MUSIK EXPRESS, METAL HAMMER.