Wirre Augenblicke und lichte Momente voller Tiefe und Schönheit
Gerade mal knapp 30 Personen verirrten sich am vergangenen Sonntagabend an das Konzert von Evan Dando (The Lemonheads) in der Schüür in Luzern. Der 57-jährige aus Essex, Massachusetts, stammende Dando hat schon bessere Zeiten gesehen.
Sein Bart ist ungepflegt und zerzaust. Das Gesicht zerlebt und etwas aufgedunsen. Dando trägt fleckige Hosen und ein rosa Hemd, das beim Bauch spannt. Sein Blick wirkt etwas verwirrt und er schaut oft abwesend am Publikum vorbei gegen die Decke. Dabei stand Dando mal auf der Gewinnerseite und war ein Frauenschwarm. In den 1990ern lief es prächtig für ihn. Mit der Coverversion von «Mrs Robinson» (Simon & Garfunkel) landete er einen Hit und hatte auch eigene ansprechende Songs wie «Break Me», «It’s About Time», «It’s a Shame About Ray», «Hospital» oder «Big Gay Heart». Seine Videos liefen auf MTW. Er trat mit den Lemonheads bei Letterman, Top Of The Pops oder Later With Jools Holland auf. Reiste auf grossen Tourneen um die Welt. 1998 lernte er das Model Elizabeth Moses kennen und heiratete sie später. Aber leider gab es immer wieder auch Abstürze, Drogen-Eskapaden.
Jetzt muss Evan Dando solo durch kleine Clubs tingeln. Mitmusiker kann er sich wahrscheinlich nicht leisten!?
So war es auch am vergangenen Sonntagabend in der Schüür in Luzern. Dando, der seit einiger Zeit in Brasilien lebt, stand allein auf der Bühne. Dabei hatte er bloss zwei akustische Gitarren, die eine war eine 12-saitige. Den Auftakt macht er mit der Coverversion «Into Your Arms» (Love Positions) aus seinem Album «Come On Feel the Lemonheads» (1993). Dandos Stimme wirkt unsicher und zerbrechlich. Dann folgt «Landslide» von Fleetwood Mac. Vielleicht sind die Songzeilen auch auf ihn gemünzt? «But Time Makes You Bolder. Even Children Get Older. And I’m Gettin’ Older, Too. I’m Gettin’ Older, Too.» Als er zum Richard Thompson Song «Withered And Died» ansetzt, sucht er nach Worten. Dando verliert den Faden, springt von einem Gedanken zum anderen. Er kann einem leidtun. Mit «Being Around» kramt er wieder einen Song aus «Come On Feel the Lemonheads» hervor. Daraufhin verliert er sich in wirre Aussagen über Waffenbesitz, der ja in den USA ein sehr kontroverses Thema ist. Bei einem seiner besten Songs «It’s a Shame About Ray» klingt Dandos Stimme erneut zerbrechlich, kratzig und etwas windschief. Neben wirren Momenten gab es am gut eineinhalbstündigen Konzert auch immer wieder lichte Augenblicke, voller Tiefe und Schönheit. Neil Youngs «Only Love Can Break Your Heart» berührt das Herz wie auch die eigenen Songs «Big Gay Heart» oder «Being Around» Die beiden Tim Hardin Songs «Reason To Believe» und «Tribute to Hank Williams» gehen ebenfalls tief und beweisen, dass Dando die Liebe für die Musik noch in sich trägt.
«Mrs Robinson» spielte er nicht. Anscheinend hat er unterdessen ein gespaltenes Verhältnis zu seinem grössten Hit.
Zum Schluss interpretiert er A capella, etwas ungelenk, aber herzlich Billie Holiday’s «Gloomy Sunday». In einem Interview erzählte Dando, dass er diesen Song immer wieder singe, auch mal, wenn er unterwegs auf der Strasse sei. Musik machen bringt etwas Erleichterung für seine geschundene Seele.
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