Das Blue Balls Festival im KKL Luzern ist ja inzwischen längst eine feste Grösse im Festivalsommer, die Luzerner treffen sich vor dem KKL Luzern auch unabhängig von den Konzerten im Haus, die hohen Konzertpreise, über die man sich viele Jahre immer wieder aufgeregt hat, sind nur noch am Rande ein Thema, der Food ist lecker und das Konzertprogramm ist gespickt mit vielen Neuentdeckungen, die Blue-Balls-Chef Urs Leierer zur Schweiz-Livepremiere nach Luzern holt. Das ist mutig, weil, wie Leierer immer betont, die Infrastrukturkosten im KKL Luzern immens hoch sind, und weil das Blue-Balls-Publikum in aller Regel nicht durch Neugierde oder Lust auf Neues glänzt. Das zeigt sich einerseits am Programm im grossen Konzertsaal und vor allem an den Gratiskonzerten vor dem KKL Luzern, die, milde gesagt, sehr massentauglich sind.
Item. Auch am Dienstag, 24. Juli, eröffnete eine «Premierenband» den Abend im Luzerner Saal: Velvet Volume, drei Schwestern (also genetisch gesehen) aus Dänemark, die den Bass, die Gitarre und das Schlagzeug entschlossen angehen und sich erfreulicherweise mit wohltuender Eigenständigkeit von den üblichen Girls-Rock-Schrammeleien abheben. Irgendwo zwischen zwischen Riot Grrrls und Hochdampf-Bluesrock treiben die Mädels vorwärts und erinnern in der Art des Gesangs heiter an die guten alten B52’s. Das macht Freude! Und die Girls sind sexy noch dazu! (Ja ja ja, MeToo in Ehren, aber das Wort sexy kommt weiter unten gleich nochmal bei den Männern zum Einsatz)
Nach der Umbaupause betreten Black Rebel Motorcycle Club die Bühne und inszenieren zum Anfang bei minimalstem Licht schon mal den Lou Reed. Lea Shapiro an den Drums scheint fit und «hüpft» die kommenden zwei Stunden zu jedem Schlag auf das Bassdrum auf ihrem Polsterstuhl. Peter Hayes und Robert Been, beide sexy anzusehn in ihrer schwarzen Kluft, sind gut drauf. Nach dem druckvollen Anfang sinkt das Tempo kontinuierlich, die Musik wird zu einem Soundtrack zu einem Roadmovie, der durch die Wüste Nevadas führt und kein heiles Ende verspricht, die Songs klingend zunehmend weit und flächig, es ist einsam in der Wüste und melancholisch, bis die Band nach einer guten halben Stunde klingt wie «The End» von The Doors. Ist das schon Country oder ist das noch Rock? Beides, irgendwie. BRMC schaffen es das ganze Konzert über, schleifend melancholisch zu sein und trotzdem die Spannung konstant aufrechtzuerhalten. Lea Shapiro spielt fast durchgehend Plum-Pläng und monoton, da ist keinerlei Virtuosität im Spiel, aber das ist eben auch ein Punkt, der funktioniert: Ist Schlagzeugspiel ist wie der Motor des Autos, das durch die Wüste tuckert, unablässig, immer vorwärts. Das ist Velvet Underground für Härtefreunde, das ist Iggy Pop für Langsame, das ist Tarantino-Soundtrack, das ist «The Wild One» für Marlon Brando. Das ist grossartig.
Die letzten paar Stücke drehen BRMC, konzerttechnisch richtig, wieder auf, lassen ein paar schleifende Kracher aus den Boxen wummern, und das Publikum ist glücklich, zumal die Songs eine ziemlich ausgewogene Auswahl ihrer letzten paar Platten waren. Apropos: Wirklich viele Leute waren nicht anwesend, der Saal war halb voll beziehungsweise halb leer. Was aber nur bedeutet, dass viele Leute ein tolles Konzert verpasst haben.
Christian Hug
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