BEN HARPER & THE INNOCENT CRIMINALS @ Blue Balls Luzern

23. Juli 2019

Das Luzerner Blueballs-Festival läuft wieder auf Hochtouren, und von Jahr zu Jahr scheint es, dass noch mehr Leute kommen. Was ja gut ist für das Festival. Und ein wenig anstrengend für Leute, die nicht so Fan sind von Gschtungg vor den überteuerten Essständen und den Schenken von Chopfab, die neuerdings das ganze Festival mit Bier beliefern und als Firma ganz offensichtlich auf starkem Expansionskurs sind. Aber das nur nebenbei. Ebenfalls nur am Rande: Pink Bus solo mit ideenlosem Sampler vor dem KKL und Lily Moore mit Potential nach oben als Vorband von Ben Harper und seinen unschuldigen Kriminellen im Luzerner Saal des KKL.

Mit dabei Ben Harpers Innocent Criminals, mit denen er seit Mitte der 1990er-Jahre die Bühne teilt und mit denen er entsprechend blind vertrauend eingespielt ist: Juan Nelson am Bass, Leon Mobley an den Perkussionsinstrumenten und Oliver Charles am Schlagzeug. Die vier beginnen begrüssungsfrei mit «Excuse Me Mr.» aus dem 1995er-Album «Fight For Your Mind», Ben mit dem Rücken zum Publikum, was aber eher als Zeichen der Freundschaft seinen Musikern gegenüber denn als Missachtung des Publikums zu werten ist.

Schnell sind die vier im Flow, Leon Mobley legt mal eben unaufgeregt ein spektakuläres Trommelsolo hin, das Publikum im seltsamerweise nicht ganz ausverkauften Saal geht sofort mit. Schön übrigens: Das Geschnorr im Publikum hält sich sehr in Grenzen, auch Handys schweben nur wenige in der Luft. Ist das Musik für Erwachsene? Oder besser gesagt: Musik für Erfahrene? Macht den Anschein. Vor allem auf der Bühne: Die vier Musikanten schaffen diese schier perfekte Mischung aus konzentriertem Spiel und offensiver Präsenz, aus Flow und Groove. Ben wie immer eine Kernschmelze aus Blueser, Träumer, Prediger, Gospelsinger und Singer/Songwriter, immer hinreissend, nie anbiedernd.

Mit Bens Wechsel zur Slidegitarre werden die Songs treibender, flächiger und hartbluesiger. Was für eine Versunkenheit im Groove! Ben führt mit Solo, Juan Nelson tänzelt mit seinem Bassspiel virtuos drum herum, mal drückend, mal tragend, mal ergänzend. Oliver Charles arbeitet am Schlagzeug wacker nach vorne. Und Leon Mobley weiss auch, wie man zurückhaltend sachte das Metrum legt. Grossartig! Und grossflächig: 3 Songs in 25 Minuten…

Es entwickelt sich eine Art Zweischichtenkonzert: Spielt Ben stehend an der E- oder Akustikgitarre, kriegt das Publikum Ben-Harper-Songs zu hören, die nahe an den Albumversionen sind. Spielt er sitzend auf der Slidegitarre, wird’s schwer bluesig und ausführlich (und so herrlich, dass auch Achtminüter viel zu kurz scheinen). Zum Schluss, nach ein paar sehr ruhigen Songs im Stehen, setzen Ben (sitzend) und seine Freunde zum grossen Finale an: harter Blues in einer Dramatik, die an Stevie Ray Vaughan selig erinnert, wie er «Voodoo Child» von Hendrix covert. Und ganz zum Schluss «Superstition» von Stevie Wonder.

Das Publikum ist begeistert und ruft nach Zugaben. Stattdessen kommt Festivalleiter Urs Leierer auf die Bühne gestorcht, was bedeutet, dass es keine Zugaben mehr geben wird. Schöne scheisse. Es folgt eine heftige Pfeif-und-Buh-Tirade, und der arme Urs, der ja auch nichts dafür kann, dass Ben Harper und die Innocent Criminals nicht mehr wollen (nehmen wir mal an), sagt nur: «Ich wollte noch etwas sagen, aber ich kann ja nicht.» Urs off, Lights on, Ben aus. Schade. War ein tolles Konzert.

Christian Hug

Photos by; Dominik Meier, Jérémy Dubois & Raffaella Bachmann

Christian
About Christian Hug 180 Articles
Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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