ALANIS MORISSETTE @ Blue Balls Festival – Luzern

Photo: (c) Raffaella Bachmann

26. Juli, KKL Luzern: Und wieder am Blue Balls, weil da geht man ja abendeweise hin, nicht tagelang zum Zelten, weshalb das Blue Balls angenehm schlammfrei ist, dafür sind die Abfalleimer chronisch überfüllt, was auch nicht sonderlich sexy ist. Am Tag zuvor soll Tom Odell ganz schön gesungen haben, auch wenn er etwas benebelt gewirkt habe, hört man von Leuten, die da gewesen sind, auch Melody Gardot sei sehr schön gewesen. Heute Abend spielt Anna Ternheim im Grossen Saal, und im Luzerner Saal warten schon Hunderte verliebte Pärchen plus ebenso viele Einzelgängerinnen und Einzelgänger auf Alanis Morissette. Erst aber kommt die Vorband beziehungsweise Alex Francis mit seinen Freunden, und der ist schnell erklärt: konturloser und kantenfreier Fast-Nashville-Pop jenseits der Grenze zum tödlich langweiligen US-Mainstream. Herrje, das war schlimm.

Zum Glück bringt dann Alanis mit ihren Mannen vergleichsweise ordentlich Schub und Eigenständigkeit rein. Letztere ist vor allem Alanis’ überaus… sagen wir: expressionistischem Gesang zu verdanken: Die Gute klingt wie Dolores O’Riordan selig im Kubik mit einem Hauch Ani-DiFranco-Eigensinnigkeit, ständig variiert sie die Distanz des Mikrophons zum Mund, um die Balance zwischen laut und leise zu halten, was ihr nicht immer gelingt, manchmal verzerrt sich das Ganze ziemlich. Dabei läuft sie auf der Bühne hin und her, als hätte sie einen Motor in ihrer Seele, den sie nicht zum Stoppen bringt. Das ist dann immerhin was zum Kucken. Weil nämlich die Jungs an den Instrumenten ziemlich statisch rumstehen – und vor allem ziemlich statisch spielen: Meistens beginnen die Songs mit einem leisen Klimpern und steigern sich dann zur vollen Stärke, doch diese bleibt dann ein geschmeidiger, ziemlich abgekanteter und gleichbleibender Teppich für Alanis’ Stimme. Das verliert dann mit der Zeit etwas Spannung, die erst wieder aufblitzt, wenn diese wunderbaren Refrain-Melodiebögen zum Zug kommen, für die wir Alanis so mögen. Apropos mögen: Seit Alanis in «Dogma» kurz, aber heftig und wortlos Gott persönlich gespielt hat, lieben wir Alanis in alle Ewigkeit, so sehr, dass wir sogar etwas nachsichtig sind, wenn wir von ihrem Konzert gerne etwas mehr Abwechslung, Dynamik und klareren Gesang erwartet hätten. Aber immerhin: Fast zwei Stunden hat die Kanadierin ihre Fans bedient, die Mädels im Publikum haben verzückt mitgesungen, während sich ihre Freunde dachten, das sei jetzt eben so ein Konzert, an das die Frauen ihre Männer mitnehmen.

Christian Hug

Christian
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Seit den Sex Pistols «into music», seit 2001 freier Journalist und Buchautor. Jahrelange Mitarbeit im «Music Scene», «Toaster», TagesAnzeiger - Ernst», «Style» und andere. Kein MP3-Freund.

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