AEROSMITH
Music From Another Dimension
Sony Music
ip. „You are about to enter a great adventure (…) From your ultimate fantasies to your deepest fears, from which you may never return…“ So und nicht minder stellt sich „Music From Another Dimension“ im Intro vor. Aerosmith sind zurück und bestätigen mit ihrem mittlerweile 15. Studioalbum, dass sie die Magie immer noch in sich haben. Joe Perry liess in Interviews zum Release bereits durchblicken, dass die Aufnahmen zu „MFAD“ mit einem Proberaumfeeling und Liveatmosphäre vonstattengingen, ähnlich ihren ersten Recordings. Er habe, anders als bei ihren 80er und 90er Alben, diese neuen Songs nach den Aufnahmen rauf und runter gehört und beschreibt das Hörerlebnis mit den Worten: „Der Sound hört sich an, als würden Dinosaurier Autos fressen!“ Dieser Satz lässt eine Menge Spielraum für Interpretationen und veranschaulicht nicht zwangsläufig ein Geräusch, das man gerne hören möchte. In Wahrheit verhält es sich mit „MFAD“ nämlich ganz anders: Diese Platte WILLST du hören! „Luv XXX“, der Opener mit Julian Lennon an den Backing Vocals, föhnt einem mit typischem Perry-Riffing die Haare glatt nach hinten und lässt keine Fragen offen, wohin der ’Smith-Zug fährt: Ganz nach vorne. Der nachfolgende Track „Oh Yeah“ hat ein süffiges Stones-Feeling mit fantastisch öligem Gitarrensound, swingt charmant mit Chor und Brass Section und macht mächtig gute Laune. „Beautiful“ ist ein Hybrid aus ihrem Rapausflug „Walk This Way“ mit einem staubtrockenen Riff, einem stadionreifen Refrain und progressivem Arrangement. „Tell Me“ erinnert vage an „Crazy“; Steven Tyler brilliert mit seiner sehnsüchtigen Stimme und Joe Perry mit einem wunderbar schlichten Solo. Einen Volltreffer landen die Boston Bad Boys mit dem Song „Go Out The Lights“, der ohne weiteres in ihrem frühen Repertoire Platz gefunden hätte und dem Perry einen Klassiker von Riff und vortreffliche Soli verpasst hat. Die Harmonica, viele „Ah-Huhs“ und sparsam gesetzte Bläser schleifen diesen Titel zum Diamanten des Albums. „Legendary Child“ und „What Could Have Been Love“ sind die beiden ersten Singles, wovon erstgenannter Song der Geradeaus-Rocker und der Zweite etwas zum Kuscheln ist, aber beide unverkennbar den dicken Aerosmith-Stempel tragen. „Street Jesus“ heizt ganz vorne in der Lokomotive die Kohlen an und besticht humoresk mit den „Uh-Ahs“, die schon 1979 dem Song „Dschinghis Khan“ von Ralph Siegel zu Weltruhm verhalfen. „Can’t Stop Lovin’ You“ ist als reiner Songtitel nie totzukriegen, in dieser Interpretation aber ein feines Country-Western-Stück und Duett mit der Sängerin Carrie Underwood in balladeskem Tempo, aber mit Staub an den Stiefeln. „Lover Alot“ ist roh, straight und schlicht, was ihn genau deshalb zu einem weiteren Highlight des Albums macht. „Freedom Fighter“ ist von Joe Perry eingesungen (Johnny Depp steuerte Backing Vocals bei) und klingt insgesamt leicht nach einer Mischung aus Springsteen und Dylan, womit er einen Exotenbonus bekommt. Desgleichen der Song „Something“, der mehr als einen Anlauf braucht, um sein Bouquet zu entfalten. Die Balladendichte ist relativ hoch auf „MFAD“, wobei aber jede von ihnen ihren eigenen Reiz besitzt: „We All Fall Down“ ist eher klassisch, „Closer“ der Düsterling und „Another Last Goodbye“ brilliert mit Tylers unglaublichem Gesang und einer geisterhaften Atmosphäre.
„Music From Another Dimension“ ist, vor allem jenseits der bereits veröffentlichten Singles, ein unglaubliches Album. Wenn zehn Jahre der Zeitraum sind, in dem erlesene Musik reifen muss, dann wartet man gerne bis 2020 auf die nächste Veröffentlichung der Boston Bad Boys. Rock’n’Roll ist nicht tot, er hat nur geschlafen. Danke, Aerosmith.