Shoreline aus Münster melden sich mit ihrem zweiten Album „Growth“ zurück und sind darauf lauter, direkter und so aktuell wie noch nie geworden. Wie haben Sänger Hansol zur neuen Platte ausgefragt.
Tracks: Auf eurem neuen Album haben sich dieses Mal besonders viele Feature-Gäste versammelt. Wir hören Songs mit Nervus und Smile And Burn, aber auch mit dem US-amerikanischen Indie-Artist KOJI, sogar mit der legendären Hardcore-Band Be Well habt ihr aufgenommen. Wie haben diese verschiedenen Kooperationen euren Sound erweitert?
Hansol Seung: Ich denke die Platte ist dadurch vielseitiger geworden. Die Artists haben ja auch eine sehr unterschiedliche Art zu singen und einen anderen Background (KOJI vs. Brian McTernan z.B.). Die Songs und das Instrumental hatten wir schon komplett fertig geschrieben, bevor wir die Featuregäste angefragt hatten. Es gab dadurch einen groben Rahmen, in dem wir wussten, was passieren sollte. Bei einzelnen Stellen im Song dachten wir dann zum Beispiel, es wäre super wenn Person XYZ da mit ihrer Stimme dazustoßen würde. Für „Konichiwa“ haben wir KOJI beispielsweise nur grob ein paar Ideen genannt, sie haben dann aber super beeindruckend kreativ selbst total viel Input gegeben, fast alles davon ist dann letztendlich auch auf der Platte gelandet. Am meisten mag ich das von KOJI gesprochene „DECENTER, DISMANTLE, ABOLISH“ am Ende des Songs.
Tracks: Eure neue Platte heißt “Growth”. Seid ihr es selbst, die im Prozess dieser Platte gewachsen seid, oder worauf bezieht sich dieser Titel?
Hansol Seung: Der Titel bezieht sich auf zwei Ebenen des Albums. Zum einen geht es um Selbstreflexion, das Verständnis für seine eigenen Privilegien und wie man damit solidarisch umgeht. Zum anderen sprechen wir auf „Growth“ über eine kritische Auseinandersetzung mit Kapitalismus. Auf der Platte ist das oft mit dem Begriff „Western Dream“ beschrieben – der Wunsch nach endlosem Wachstum und Wohlstand auf Kosten der Umwelt und Mitmenschen.
Tracks: Ihr seid mit diesem Album erstmals bei End Hits Records gelandet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Hansol Seung: Ich kenne den Labelbetreiber Oise Ronsberger seit ein paar Jahren, weil er früher in einer Punkband gespielt hat, die als Teenager recht wichtig für mich war. Oise und unser altes Label Uncle M Music sind schon jahrelang befreundet und arbeiten viel zusammen mit Bands. End Hits Records klopften letzten Sommer bei Mirko an, ob wir nicht die nächste Platte zusammen machen wollen. Das war insgesamt eine tolle Ergänzung für das Team, eigentlich sind nur super Leute dazugestoßen und niemand ersetzt worden.
Tracks: In “Konichwa” wird antiasiatischer Rassismus thematisiert – ein Thema, das man so dezidiert in Deutschland wirklich selten zu Gehör bekommt, selbst in rassismuskritischen Kreisen. Warum ist das so?
Hansol Seung: Nun, ich denke, dass der Fokus auf Rassismus im deutschsprachigen Raum etwas woanders liegt: Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Rassismus gegen Schwarze… völlig zurecht, wenn du mich fragst, schon allein aus historischer Perspektive. Rassismuserfahrungen unterschiedlicher Gruppen sind nicht alle gleich, ich erlebe Rassismus anders als eine schwarze Person aus meinem Freundeskreis. Ich denke, dass Asiat*innen in dieser Diskussion oft aufgrund fehlender Sensibilität übersehen werden, aber auch, weil westliche Länder, vor allem die USA, das Bild des „Vorzeigeausländers“ um Asiat*innen gebaut haben. Wir sind alle gut in Mathe, sind alle höflich, gebildet und fleißig. Kommt dir bekannt vor, oder?
Tracks: Das Artwork hat einen völlig anderen optischen Stil als alles, was ihr sonst bisher auf Platten gemacht hat. Wie ist das Cover entstanden?
Hansol Seung: Wir haben es zusammen mit der kanadischen Designerin Phoebe Wong gemacht. Sie ist eine unfassbar intelligente und kreative Person. Es gibt eine Fotostrecke mit dem Motiv (wie eine Frau ihren Kopf in ein Rundglas steckt). Als wir das Foto zum ersten Mal sahen, war schon klar, dass das als Albumcover unfassbar spitze aussehen würde.
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