AEROSMITH Rock For The Rising Sun

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AEROSMITH

Rock For The Rising Sun

Eagle Vision/MV

 

hh. Im Rahmen ihrer knapp zweimonatigen „Back On The Road“-Tour besuchten die Boston-Rocker im Herbst 2011 neben Mittel- und Südamerika auch das durch Erdbeben, Tsunami und Fukushima arg gebeutelte Japan. Die vorliegende DVD (auch als Blu-Ray) zeigt 17 Songs (+ 2 als Bonus) aus verschiedenen Konzerten im Reich der aufgehenden Sonne. Zwischen den Songs werden kurze Sequenzen eingeblendet, die die Band beim Sightseeing, Shopping und Treffen mit Fans zeigt, ausserdem Interviewausschnitte mit dem japanischen TV. Das ist sehr gut gemacht, denn die jeweiligen Sequenzen halten sich kurz und sind so eine Bereicherung anstatt störendes Beiwerk, das normalerweise in der Bonus-Sektion landet.

Die Live-Mitschnitte zeigen Aerosmith in Top-Form. Was diese Truppe doch für eine grossartige und einzigartige Rockband ist, bekommt man hier in bester Bild- und Tonqualität vor Augen geführt. Einmal mehr wird klar, dass Aerosmith zu der Handvoll von Rocktruppen gehört, die nach wie vor eine Macht sind und bis in alle Ewigkeit zu den allzeit Grössten des Planeten zählen. Und das im 40. Jahr ihres Bestehens! Dass alle Musiker bereits jenseits der 60 sind, ist angesichts der Energie und Spielfreude jedes Einzelnen kaum zu glauben. Speziell Steven Tyler, mit 65 Jahren der Älteste im Verbund, gibt nach wie vor die Rampensau zum besten (ohne auch nur im Ansatz wie eine Karrikatur seiner selbst auszusehen) und zeigt sich stimmlich in bestechender Form. Dass ihn dabei des Öfteren eingespielte Overdubs unterstützen, ist deutlich hörbar, aber nichts besonderes – das war/ist bei Aerosmith seit ewigen Zeiten so. Es ist einfach erstaunlich, wie fit der kleine, drahtige Frontmann mit der riesigen Stimme, der über viele Jahre einen exzessiven körperlichen Raubbau betrieb, immer noch ist. Zudem sieht er immer noch aus fantastisch aus. Gleiches gilt für Tyler’s Partner in Crime Joe Perry. Mit seinen 63 Jahren sieht er glatt 20 Jahre jünger aus, präsentiert sich rank und schlank und ist spieltechnisch ebenfalls in absoluter Top-Form. Perry lädt ab, dass es eine wahre Freude ist, geilste Soli, herausragende Slide-Einwürfe und Riffs, wie nur er und Keith Richards sie spielen können. Perry ist der Riffmaster des Hardrocks schlechthin, mit dem Rock im Blut und dem Blues im Herzen – eine einzig grosse Freude, diesem Mann bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Dass Tyler und Perry bei Aerosmith von jeher im Spotlight stehen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die drei anderen in der Band ähnlich grosse musikalische Kaliber und in dieser Truppeschlichtweg unersetzbar  sind. Brad Whitford, zwar der jüngste aber gleichzeitig auch der gesichtsälteste, ist ebenfalls ein aussergewöhnlich guter und eigenständiger Saitenartist, was er eindrucksvoll in einigen Solo-Passagen und im Zusammenspiel mit Perry hier beweist. Bassist Tom Hamilton und Drummer Joey Kramer sind ohnehin ein perfekt aufeinander eingestimmtes Rhythmus-Gespann.

Aerosmith spielen sich durch eine Reihe ihrer grossen Hits und Klassiker, gleich die ersten drei Titel „Draw The Line“, „Love In An Elevator“ und „Living On The Edge“ donnern mit einer Wucht aus den Boxen, dass sich der Zuschauer an der Sessellehne festkrallen muss, um nicht weggeblasen zu werden. Und so geht es weiter durch eine grossartige Set-Liste, die die meisten Songs, die man von der Band erwartet, widergibt, mit Schwergewicht auf ihre genialen Zeiten in den 70ern („Rats In The Cellar“, „Last Child“, „Sweet Emotion“, „Toys In The Attic“ etc. – und selbstverständlich „Walk This Way“, wie natürlich auch der Yardbirds-Standard „Train Kept A Rollin‘“, ohne den ein Luftschmied-Konzert undenkbar ist.

„Rock For The Rising Sun“ ist eine grandiose Live-Dokumentation einer grandiosen Band, die zu den besten zählt (wenn es nicht sogar die beste ist), die man bisher von Aerosmith erwerben konnte. Dermassen tight, immer voll auf den Punkt, energiegeladen und spieltechnisch auf allerhöchstem Niveau waren die Boston-Bad-Boys im Laufe ihrer Karriere selten zu bewundern. Jeder, der auf druckvollen, melodiösen Hardrock bzw. bluesbased ClassicRock steht, muss sich dieses Werk sofort besorgen. Ganz grosse Klasse!!!

Hanns
About Hanns Hanneken 528 Articles
Hanns, der Gründer von TRACKS, ist der CH-Musikszene seit den 80er-Jahren als Produzent, Musiker und Redaktor eng verbunden. Er war jahrelang Chefredaktor des Schweizer Musikmagazins MUSIC SCENE, des deutschen Magazins MUSIK SZENE und arbeitete für u. a. MUSIK EXPRESS, METAL HAMMER.